Das dunkle Fenster (German Edition)
jetzt in Sentimentalitäten zu versinken.
„Warst du schon mal auf der Museumsinsel?“, fragte er.
Carmen verlagerte ihre Sitzposition. „Willst du ihn dort treffen?“
„Ja. Kennst du die Kolonnaden?“
Carmen legte den Kopf schräg. „Keine Ahnung.“
„Es ist ein Säulengang vor der Alten Nationalgalerie. Ich werde mich mit Viktor am Westende treffen, wir gehen den Korridor hinunter. Er weiß, dass ich mich nicht blicken lasse, wenn er seine Gorillas dabei hat, also muss er sie irgendwo zwischen den Passanten auf der Straße positionieren. Während wir laufen, können sie nicht riskieren zu schießen, wegen der Säulen und weil ich dafür sorgen werde, dass Viktor auf der rechten Seite geht.“
„Was ist mit mir?“
„Du wartest mit dem Wagen in der Bodestraße, so dass wir im Notfall schnell verschwinden können.“
„Klingt einfach“, sagte sie ohne rechte Begeisterung.
„Ich glaube, dass es funktionieren kann. Viktor wird verhandeln. Klar, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt, um mich aus dem Weg zu schaffen, dann nutzt er die. Aber das steht nicht ganz oben auf seiner Prioritätenliste.“
„Und dann?“
„Wenn wir die Namen haben?“
Carmen nickte. Er drehte den Kopf und sah sie an.
„Dann kaufen wir uns frei.“
In mehreren Reihen hatten sie die Fotos an die Wand gepinnt. Daneben klebten Kopien der Bilder, die Rafiq in den Katalogen markiert hatte. Die Luft im Raum war dick von Zigarettenqualm.
„Okay“, sagte Katzenbaum in die Diskussion hinein, „was ist mit diesem roten Fenster als Anhaltspunkt? Ich meine, wie viele rot gestrichene Fenster kann es geben?“
„Auf diesen Fotos“, sagte Rafiq, „gibt es kein einziges. Das ist ja das Problem.“
Felix Roth stand vor der Wand und starrte die Bilder an.
„Probieren wir es mal so“, sagte Rafiq. Er zeichnete die Grundriss-Skizze, die er bereits am frühen Morgen entworfen hatte, noch einmal auf ein weißes Blatt Papier. Dann begann er Punkte mit Pfeilen einzutragen und mit Nummern zu beschriften. I, III, IV...
„Hier“, sagte er zu Roth. „Das sind die ungefähren Standpunkte, von denen aus er gemalt hat. Das bedeutet, dass dort keine verkehrsreichen Straßen verlaufen. Es muss ein großes Areal sein, und es gibt kaum Verkehr. Er konnte den Platz aus fast allen Richtungen aufnehmen.“
„Sie meinen, wir streichen alle Orte, die von großen Straßen beschnitten sind. Alle Verkehrsinseln ...“
„Genau.“
„Das führt doch zu nichts“, murmelte Tal. Er saß am Tisch und schlürfte seinen Kaffee. „Ich würde lieber drauf setzen, dass Carmen sich doch noch meldet. Oder dass eins von den Überwachungsteams an den Einfallsstraßen sie registriert.“
„Werden wir sehen“, sagte Katzenbaum. Er stellte sich neben Rafiq und starrte auf die Skizze. Dann betrachtete er wieder die Fotos der Gemälde an der Wand. Seine Hand kam hoch, sein Finger tippte auf ein Gemenge aus hellen Farben und Blautönen im Hintergrund der Statue. „Was ist das eigentlich?“
„Irgendein Gebäude“, sagte Rafiq. Er trat näher heran. „Mit einer hellen Fassade und einer Art Vorbau.“
„Wir sollten uns auf die Parks und Schlösser konzentrieren“, sagte Roth. „Wenn Sie sagen, dass es keine Verkehrsstrecken um den Platz gibt.“
„Ja, das macht Sinn“, meinte Rafiq, während er weiter auf das Bild starrte. „Nehmen Sie alles weg, was nicht in diese Kategorie passt.“
An der Abfahrt Buchholz verließen sie die Autobahn und durchquerten die ruhigen Vorstadtbezirke im Berliner Norden.
Carmen beobachtete die Digitaluhr im Cockpit und versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken. Sie wusste nicht, ob und wann sie eine Gelegenheit finden würde, Katzenbaum noch einmal anzurufen. Sie war sich tatsächlich gar nicht mehr sicher, ob sie das überhaupt noch wollte.
Nikolaj gab sich unergründlich, beinahe gleichgültig. Das schmerzte. Aber es war ihre eigene Schuld. Sie hätte sich einfach zusammenreißen sollen. Was war schon dabei? Sie hatte monatelang mit Männern geschlafen, die ihr vollkommen gleichgültig waren. Um wie viel leichter hätte es also bei Nikolaj sein müssen? Aber das war eben der Trugschluss. Es war überhaupt nicht leicht. Es war ungeheuer kompliziert, und es schmerzte und erfüllte sie mit Resignation.
Sie fühlte sich elend. Darüber hinaus, und das war noch schlimmer, hatte sie ein Loch in das empfindliche Gewebe des Vertrauens gerissen, das in den letzten Tagen zwischen ihnen gewachsen war. Er
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