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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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zur Seite. „Lass uns erst – diese Sache zu Ende bringen, dann sehen wir weiter.“
    Nikolaj ließ sich zurücksinken. Er schloss die Augen und versuchte die plötzlich einsetzende Enttäuschung niederzukämpfen. Etwas hatte sich verändert, aber er konnte nicht erfassen, was es war.
    Mit einem Ruck setzte er sich auf. Das Hochgefühl war verflogen, seine Kehle zugeschnürt. Er fragte sich, was genau er eigentlich erwartet hatte. Carmen sah ihn mit halb gesenkten Lidern an. Unmerklich zuckte sie die Schultern, ihre ganze Mimik sprach von Unbehagen.
    „Schade“, sagte er.
    Sie nickte nur. Obwohl die Distanz zwischen ihren Körpern mit nur einer Armlänge zu überbrücken war, schien sie in Wahrheit Welten zu betragen.
    Seine Finger auf dem Lenkrad fühlten sich kalt an, sein Körper schien einem Fremden zu gehören. Sie fuhren auf der A-I4 in Richtung Berlin. Grün und gleichmäßig floss die Landschaft vorbei, flache Niederungen, Kiefernschonungen und vereinzelt Birken am Waldrand. Nikolaj nahm es kaum wahr. Viel präsenter war Carmen, dicht neben ihm, ihre Gegenwart ein Nexus des Schweigens. Sie gab sich kühl und in sich gekehrt, und er konnte nicht aufhören sich zu fragen, was eigentlich geschehen war. Er hielt sich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Mechanisch reagierte er auf den Verkehr, seine Gedanken ein Malstrom aus Berechnung und Spekulation. Sein inneres Gleichgewicht war erschüttert. Seine Fähigkeit zu rationalisieren schien sich in Rauch und Nebel verflüchtigt zu haben. Gleichzeitig gärte Unmut in seiner Kehle, der sich aber in erster Linie gegen sich selbst richtete. Was hatte er denn eigentlich verloren? Die Fronten waren geklärt, oder? Warum konnte er die vergangene Nacht nicht als das sehen, was sie war? Ein kurzes Intermezzo ohne weitere Verpflichtungen? Weil, realisierte er düster, eine Möglichkeit verbraucht worden war. Ein Versprechen war erfüllt worden, aber nicht auf die Weise, die er sich erhofft hatte. Er trauerte um den verlorenen Einsatz und fragte sich, was er hätte tun können. Nichts, gestand er sich ein. Nicht er hatte den Impuls ausgelöst. Das war sie gewesen. Er hatte nur seine Erwartungen zu hoch gesteckt.
    Als vor Berlin die ersten Schilder auftauchten, zwang er sich, nicht länger destruktiven Gedankenspielen nachzuhängen und konzentrierte sich stattdessen auf das Nächstliegende. Er musste Viktor anrufen. Zehn Kilometer vor Berlin schaltete Nikolaj das Handy ein und wählte Kusowjenkos Nummer. Er hörte am Rufton, dass Kusowjenko sich inzwischen ebenfalls in Deutschland aufhalten musste. Viktor nahm nach dem dritten Klingeln ab. Als Nikolaj sich meldete, lachte er.
    „Mein Freund, du hast so viele Telefonnummern, dass ich es langsam aufgebe, sie zurückverfolgen zu lassen.“
    „Bist du in Berlin?“
    „Du hoffentlich ebenfalls.“ Kusowjenko wurde wieder ernst. „Meine Zeit ist nämlich begrenzt.“
    „Keine Sorge.“ Nikolaj warf den Zigarettenrest aus dem offenen Fenster. Sie hatten Berlin umfahren und näherten sich der Stadt von Norden her. „Es ist jetzt“, er warf einen Blick auf die Uhrzeitanzeige im Cockpit, „kurz vor zehn. Ich schlage vor, wir treffen uns um drei Uhr – das ist in fünf Stunden.“
    „Wo?“, fragte Kusowjenko.
    „Im Stadtzentrum.“
    „Das ist groß.“
    „Ich rufe dich vorher noch mal an.“
    „Dein Misstrauen beleidigt mich.“
    An- und abschwellendes Rauschen überlagerte Kusowjenkos Worte. Wind. Viktor war irgendwo draußen unterwegs.
    „Das glaube ich nicht“, sagte Nikolaj.
    Kusowjenko lachte erneut sein gutmütiges Lachen. „Du denkst, ich will dich aufs Kreuz legen?“
    „Sag du’s mir.“
    „Will ich aber nicht.“ Er holte geräuschvoll Atem. „Du machst die Regeln.“
    „Ich rufe dich wieder an.“
    Er unterbrach die Verbindung, ohne Kusowjenkos Erwiderung abzuwarten, und legte das Telefon auf die Mittelkonsole.
    „Was ist jetzt der Plan?“, fragte Carmen. Ihre Stimme klang sachlich und verbarg jede Emotion.
    Nikolaj wechselte die Spur und bog auf den Zubringer zur Berliner Stadtautobahn ab. Er versuchte die widersprüchlichen Empfindungen zu ersticken, die in ihm hochstiegen. Er wusste, dass er sich jetzt auf die nächsten Stunden konzentrieren musste, auf sein Treffen mit Kusowjenko und darauf, es nicht nur zu überleben, sondern auch die Antworten zu bekommen, um deretwillen er das ganze Risiko überhaupt einging. Dafür würde er alle Nerven brauchen. Er konnte es sich nicht leisten,

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