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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Hoffnung hing an einem dünnen Faden. Schon damals hatte Fedorow sie ohne zu zögern an die Israelis verkauft, und damit hatte er ihren Tod bereits billigend in Kauf genommen.
    Rafiq spürte, dass ein neuer Schwall Wut in ihm hochstieg wie bittere Galle. Er schluckte heftig, presste die Fingerspitzen gegen seine Schläfen. Dann stellte er sich vor, wie es sein würde, den Abzug zu betätigen, den Rückstoß der Waffe, das Projektil, das aus kurzer Entfernung in den Körper schlug und den Ausdruck der Überraschung auf Fedorows Gesicht, wenn er ihm in die Augen sah, kurz vor dem Ende. Es fühlte sich gut an und Rafiq klammerte sich an dieses Bild.
    Rache änderte nichts an Tatsachen, aber sie barg das Versprechen auf Frieden für seine Seele.
    Carmen erwachte mit Kopfschmerzen. Draußen färbte sich der Himmel rötlich. Nikolaj schlief noch. Vorsichtig schob sie die Decke beiseite und stand auf. Nackt tappte sie ins Bad und drehte den Wasserhahn auf, dann trank sie das kalte Wasser aus den Handflächen und wusch ihr Gesicht.
    Sie blickte auf und starrte in den Spiegel. Sie schaute sich selbst in die Augen, ihre Kehle war eng, ihr Magen fühlte sich eisig an. Das war ein Fehler gewesen, dachte sie mit nüchterner Klarheit. Sie hätte das nicht tun dürfen. Vor nicht einmal zwanzig Stunden war es nur Beklommenheit gewesen, vage Befürchtungen, weil sie mit ihrem Anruf den Pakt verletzte, den Nikolaj und sie miteinander geschlossen hatten. Sie hatte sich zwar eine Zeitlang etwas anderes vorgemacht, aber im Grunde war ihr klar, dass dieser Akt vor allem dazu diente, sich selbst zu retten.
    Jetzt brannten die Schuldgefühle wie Säure. Aus körperlicher Nähe war wie von selbst eine moralische Verpflichtung erwachsen, die sie innerlich zu zerreißen drohte. Während sie ihr Spiegelbild betrachtete, wurde ihr klar, dass ihr Verhältnis zu Nikolaj eine neue Ebene erreicht hatte.
    Dass er ihr etwas bedeutete. Dass sie den Panzer hatte fallen lassen, der ihr Inneres gegen die täglichen Dolchstöße des Lebens abschirmte. Sie hatte sich selbst verletzlich gemacht, und das war die eigentliche Katastrophe, denn es würde zukünftig ihre Entscheidungen beeinflussen.
    Ihre Kehle war geschwollen, sie wollte weinen, um sich selbst, um das was geschehen war, um die verlorenen Möglichkeiten. Doch ihre Augen brannten nur und blieben trocken. Sie schluckte schwer. Erschöpft ließ sie sich auf den Badewannenrand sinken und legte die Arme um ihre Knie. Lange blieb sie so sitzen, während draußen der Morgen heraufzog.
    Stockholm-Syndrom. Ein Phänomen, das manchmal zwischen Geisel und Geiselnehmer auftritt. Sie hatte beim Dienst ein paar Mal davon gehört, erinnerte sich sogar, in einem Buch darüber gelesen zu haben. Die Geisel verliebt sich in den Geiselnehmer. Das kann man behandeln, dachte sie, dafür gibt es Spezialisten. Sie verfolgte den Gedanken noch ein Stück weiter, registrierte aber gleichzeitig, dass er ihr einen üblen Geschmack im Mund verursachte. Das Stockholm-Syndrom implizierte, dass die Geisel ihren eigenen Willen aufgegeben hatte und instrumentalisiert worden war.
    Carmen schüttelte den Kopf. So war es nicht. Sie biss sich auf die Lippen, bis sie Blut schmeckte. Endlich richtete sie sich auf und warf durch die offene Badtür einen Blick zum Bett. Nikolaj lag auf der Seite, die Decke halb unter sich zusammengeschoben, seine Züge entspannt im Schlaf. Ein Akt freien Willens, dachte sie mit aufsteigender Wut. Es war ihr freier Wille gewesen. Sie war eine erwachsene Frau. Sie konnte selbst entscheiden, was sie mit ihrem Leben anstellte.
    Eine Bewegung weckte ihn, eine Störung im Licht. Ihr Schatten vielleicht, als sie am Fenster vorbei auf die andere Seite schlich, auf Zehenspitzen, und sich in ihre Decke hüllte wie ein frierendes Kind. Er brauchte einen Moment, um in die Wirklichkeit zurückzufinden. Er drehte sich halb herum, so dass er sie ansehen konnte. Auf einen Ellbogen gestützt betrachtete er ihr Gesicht, als wäre es ein Gemälde. Carmen erwiderte seinen Blick. Ihre Miene war unergründlich.
    „Was denkst du?“, fragte Nikolaj.
    „Nichts.“
    Er senkte den Kopf, um sie zu küssen. Mit einer kleinen Bewegung wich sie aus. Überrascht hielt er inne. „Was ist?“
    „Tut mir leid.“ Sie schüttelte den Kopf.
    Nikolaj spürte, wie sich etwas in seinem Innern verkrampfte.
    „Tut mir leid“, wiederholte sie. Flüchtig hob sie ihre Hand und berührte seine Wange mit den Fingerspitzen. Dann rollte sie sich

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