Das dunkle Fenster (German Edition)
überzeugt, dass Delani eine Geliebte hatte, die er in Berlin treffen würde. Der letzte Bericht Verheyens an seinen Führungsoffizier stammte vom Tag ihrer Ankunft in Berlin. Sie hatten ein Zimmer im Hilton gebucht, dem gleichen Hotel, in dem auch Delani abgestiegen war, allerdings auf einem anderen Stockwerk und unter falschem Namen. An diesem Punkt endete der Block solider Information. Alles weitere war nur noch Spekulation, gestützt durch verschiedene Zeugenaussagen, Indizien und Vermutungen.
Am Morgen des Attentats verfolgte Anna ihren Mann vom Hotel aus zum Jüdischen Museum. Er war die Nacht über nicht auf seinem Zimmer gewesen und sie glaubte, dass er sich bei seiner Geliebten aufgehalten hatte.
Anna telefonierte noch einmal mit Michael Verheyen, der im Hotel geblieben war. Verheyen wusste natürlich von der bevorstehenden Eröffnungszeremonie, auch in Brüssel hatte man den Rummel mitbekommen. Einige bedeutende Politiker standen auf der Besucherliste und das CIA-Büro in Berlin war seit Wochen in Aufruhr. Alle hatten Angst vor einem Terroranschlag.
Eine halbe Stunde später kam die Meldung, dass soeben der US-Senator Jonas Levi Rosenfeldt im Jüdischen Museum erschossen worden war, der Killer aber noch frei herumlief. Verheyen rief daraufhin noch einmal Anna an, um sie zu warnen. Zu diesem Zeitpunkt zog er noch keine Verbindung zwischen Delani und dem Mord. Er machte sich lediglich Sorgen um Anna, die sich zufällig in der Nähe des Schauplatzes aufhielt. Die Erkenntnis, dass das mehr als ein seltsamer Zufall war, musste ihm erst später gekommen sein.
Die Tiépola nahm seine Warnung nicht ernst. Andere Dinge erforderten ihre Aufmerksamkeit. Ihr Ehemann hatte sein Fahrzeug ein paar Querstraßen entfernt vom Museum geparkt. Danach hatte sie ihn aus den Augen verloren und deshalb kurzerhand beschlossen, im Wagen auf seine Rückkehr zu warten. Ihre Kalkulation ging auf, aber es dauerte beinahe zwei Stunden, bis er wieder auftauchte.
Verheyen rief Anna noch ein zweites Mal an, da verfolgte sie Delani gerade in die Tiefgarage des Hotels Drei Linden, einer ziemlichen Absteige auf der Rückseite des Bahnhofs Friedrichstraße. Interessant war, dass das Hotel in Gehweite zum Hilton lag. Anna fand das empörend. Sie war überzeugt, dass hier die Frau abgestiegen war, mit der sich Delani hinter ihrem Rücken traf. Laut Verhörprotokoll gab die Tiépola ihre Position durch, danach brach der Empfang ab. Sie fand Delanis Wagen nicht sofort und kurvte ein paar Mal durch die Garage. Entnervt parkte sie schließlich in der Nähe eines Aufzugs und fuhr hoch zum Foyer, um Delani dort auf dem Rückweg abzupassen.
Verheyen kam beinahe zeitgleich mit ihr an. Er betrat die Lobby über den Haupteingang und traf sie bei den Fahrstühlen. Anna konnte sich bei der Vernehmung nicht mehr daran erinnern, so wie sie jegliche Erinnerung an die Ereignisse leugnete, die sich im Anschluss abspielten. Ein Concierge beobachtete einen kurzen und heftigen Streit zwischen den beiden. Dann kam ein Gast die Treppe herunter, ein libanesischer Geschäftsmann, der bereits am Morgen ausgecheckt hatte und nur zurückgekommen war, um sein Gepäck zu holen. Er hatte sich kurz zuvor ein Taxi zum Flughafen bestellt.
Im Dossier stand, dass es sich bei diesem Mann vermutlich um Fabio handelte.
Der Concierge gab später zu Protokoll, dass die Frau gestikulierend und laut rufend auf den Libanesen zugelaufen war. Sie sprach Italienisch, deshalb konnte er nicht verstehen, was sie sagte. Er interpretierte ihren Wortschwall aber als eine Abfolge von Vorwürfen oder Beschimpfungen. Verheyen folgte einen Moment später. Im Laufen zog er eine Waffe.
Der Libanese warf sich hinter einer Sitzgruppe in Deckung, Verheyen gab zwei oder drei Schüsse ab. Die Frau begann zu schreien. Unter den anderen Gästen in der Lobby brach Panik aus, jeder versuchte sich in Sicherheit zu bringen.
Mit einem Sprung riss der Libanese Verheyen von den Füßen und versuchte ihm die Pistole zu entwenden. Im Handgemenge lösten sich zwei weitere Schüsse. Einer davon traf Anna in den Oberschenkel, der zweite zerfetzte Verheyens Gesicht und tötete ihn auf der Stelle. Der Libanese rannte hinaus auf die Straße und stoppte einen Wagen mit vorgehaltener Waffe. Er zwang den Besitzer auszusteigen und ihm das Fahrzeug zu überlassen.
Rafiq legte das Dossier auf den Tisch und betrachtete das Mosaik der Hausdächer zu seinen Füßen. Er wusste bereits, was auf der letzten Seite stand, denn
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