Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
frischen Kaffee und setzte seine Lektüre fort.
    Was nach Fabios Ankunft in seinem Hotel folgte, war der Höhepunkt einer absurden Verkettung von Zufällen. Am Tag nach der Einweihung des Jüdischen Museums fand eine Vernissage in der eleganten Galerie Neuhoff im Berliner Stadtteil Tiergarten statt. Sie eröffnete eine Ausstellung des belgischen Malers Nico Delani mit dem Namen ‚Metamorphosen’. Zur Überraschung der Gäste tauchte der als exzentrisch geltende Künstler allerdings nicht auf.
    Delani wurde als eine Art Shooting-Star in der europäischen Kunstszene gehandelt. Innerhalb weniger Jahre hatten sich seine Bilder als feste Größe auf dem Kunstmarkt etabliert. Er war seit 1997 mit der Sizilianerin Anna Tiépola verheiratet, einer Nichte des großen Francesco Bracci. Das war der Punkt, an dem die CIA sich plötzlich für den kamerascheuen Künstler zu interessieren begann.
    Die Bracci-Familie betrieb ihre sehr einträglichen Geschäfte von Reggio di Calabria und Rom aus und besaß beste Verbindungen in die Spitzen der italienischen Regierung. Sie hatte in den achtziger und neunziger Jahren viel Geld mit Risiko-Investment verdient und operierte aktuell mit Firmenbeteiligungen in ganz Europa. Wichtige Geschäftsfelder waren Baugewerbe, pharmazeutische Industrie und Kunsthandel. Sie unterhielt eine Anwaltskanzlei mit Büros in mehreren europäischen Städten.
    Hier endete der offizielle Teil.
    CIA und Interpol waren gleichermaßen überzeugt, dass der weitaus größere Teil des Bracci-Reichtums aus illegalen Kanälen stammte. Die Schlagworte lauteten Kunstbeschaffung und Kunstfälscherei, Drogenschmuggel, illegale Waffengeschäfte. Es hieß, dass Luca Bracci, das nominelle Oberhaupt der Familie, eine bedeutende Position innerhalb der Ndrangheta einnahm, der kalabrischen Mafia. Allerdings ließen sich diese Verdächtigungen nicht beweisen.
    An einer anderen Front versuchte die US-amerikanische Bundespolizei seit den Neunzigern, den New Yorker Cattani-Clan wegen Drogenhandels hochzunehmen. 1998 fand ein Undercover-Agent des FBI Indizien für eine Verbindung zur Brüsseler Niederlassung der Braccis. Die Spur war nicht mehr frisch, aber das einzig Brauchbare, was sie bisher hatten finden können. Deshalb traten sie an die CIA heran und baten sie, in Europa ein paar Nachforschungen zu betreiben.
    Im Sommer 2000 kaufte Delani für sich und seine Frau ein Haus in Brüssel. Die Amerikaner entschlossen sich, einen ihrer Leute auf Anna Tiépola anzusetzen. Es war ein Schuss ins Blaue, das wussten sie. Aber die Tiépola schien leichte Beute, und einen Versuch war es immerhin wert. Vielleicht wusste sie ja etwas über die zwielichtigen Geschäfte der Kanzlei Bracci & Versteylen am La Grand Place. Sie war mit diesem exzentrischen Maler verheiratet, man stufte ihn als verrückt, aber harmlos ein, und gerüchteweise stand es mit der Ehe nicht zum Besten.
    Die CIA schickte Michael Verheyen ins Feld, einen drittklassigen Romeo-Agenten. Einen Mann also, der seinen Charme einsetzte, um an Informationen zu gelangen.
    Es wurde sogar noch leichter als erwartet. Verheyen fand eine attraktive Frau vor, die sich von ihrem Gatten vernachlässigt fühlte und darauf brannte, ihn mit einem anderen Mann zu betrügen. Von Anfang an machte sie keinen Versuch, ihre Affäre vor Delani zu verbergen. Etwas, das Verheyen stark irritierte. Dem Agenten wurde klar, dass sie Eifersucht provozieren wollte, um die Aufmerksamkeit ihres Mannes wieder auf sich zu lenken.
    Delani dagegen schien die Untreue seiner Frau zu billigen. Er hielt ihren Liebhaber scheinbar nicht für bedrohlich, suggerierte ihm lediglich, dass er Diskretion erwartete. Anna Tiépola reagierte wütend auf Delanis Gleichgültigkeit. Verheyen verunsicherte die gesamte Konstruktion zusehends. Er fand nicht das Geringste über irgendwelche konspirativen Verbindungen der jungen Frau zur italienischen Mafia heraus. Stattdessen sah er sich selbst immer tiefer in eine abstruse Dreiecksbeziehung verwickelt, in der er für beide Akteure nur Mittel zum Zweck war. Er agierte nicht länger, sondern wurde in die Defensive gedrängt und rutschte immer tiefer in die Rolle eines Advocatus Diaboli in Annas Diensten.
    Mitte Januar 2001 reiste Delani nach Berlin, um seine Ausstellung in der Galerie Neuhoff vorzubereiten. Offenbar ging seinem Abflug ein heftiger Streit mit seiner Frau voraus, die ihn gegen seinen Willen begleiten wollte.
    Gemeinsam mit Verheyen reiste sie ihm nach. Anna war fest davon

Weitere Kostenlose Bücher