Das dunkle Fenster (German Edition)
Hintermänner? Wir dachten, dass die PLO dahinter steckt, aber beweisen konnten wir das nie.“ Sein Ton wurde eindringlicher. „Wir kriegen hier eine zweite Chance. Ich will wissen, was er weiß. Ich will die verdammte Akte mit dem Gefühl schließen können, dass wir das Richtige getan haben.“
„Operation Wüstenwind.“ Bedächtig formte Rafiq die Worte. „Du weißt, wie ich darüber denke.“
„Ich will hier gar nichts rechtfertigen“, sagte Katzenbaum. „Aber ich habe die Entscheidung nicht getroffen.“
„Nein, natürlich nicht“, murmelte Rafiq. „Das war ein anderer. Zum Glück gibt es immer jemand anderen, der die Verantwortung trägt.“
„Ach hör doch auf“, unterbrach Katzenbaum ihn scharf.
Rafiq lächelte angespannt. „Schon gut“, sagte er. „Schon gut.“
Sofia hob die Kaffeekanne an und schenkte unaufgefordert nach. Er betrachtete ihre schmalgliedrigen Hände, während er angestrengt versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sie war sehr attraktiv. Flüchtig dachte er, dass er sie mal zum Essen einladen musste.
„Wir stehen nicht unter Zeitdruck“, sagte Katzenbaum. „Wir machen das in aller Ruhe. Wir haben genügend Ressourcen und den Vizedirektor, der uns den Rücken freihält.“ Er zündete sich eine weitere Zigarette an. „Das restliche Team“, fuhr er fort, „wird morgen im Laufe des Tages eintreffen. Carmen wird dabei sein.“ Er machte eine kurze Pause, um Rafiqs Reaktion abzuwarten. „Ich hoffe, du hast kein Problem damit?“
Das kam nicht einmal besonders überraschend. Wenn die Zielperson Nikolaj Fedorow war und Lev ihn aus diesem Grund dabei haben wollte, dann war es nur logisch, dass er auch Carmen in seine Pläne einbezogen hatte. Es würde vielleicht nicht besonders angenehm werden, aber er konnte das aushalten.
„Nein“, beschied er Katzenbaum, „ich komme damit klar.“
„Bis dahin sollten wir uns auf die nächsten Schritte geeinigt haben.“ Der Katsa deutete auf zwei dicke Aktenordner neben dem Tisch. Obenauf lag ein dünner Stoß Papiere in einer Klarsichtfolie. „Das sind die Unterlagen zur Rosenfeldt-Affäre. Es gibt ein Kurzdossier, das du lesen solltest, es enthält alle wesentlichen Informationen. Zu Fedorow“, er zögerte einen Moment, „haben wir praktisch keine Informationen. Jedenfalls nichts, das du nicht besser wüsstest.“
Rafiq zog das Dossier aus der Hülle und blätterte durch die eng beschriebenen Seiten. Dann blickte er auf. „Wie brisant ist das hier? Kann ich runter auf die Straße, oder darf ich die Wohnung nicht verlassen?“
„Kein Problem“, sagte Sofia. „Du bist ein Freund aus Damaskus. Wir kennen uns schon, seit wir Kinder sind. In diesem Haus wohnen sowieso nur Studenten. Sie sind es gewohnt, dass alle möglichen Leute ein- und ausgehen. Wir haben Semesterferien, da habe ich die Gelegenheit genutzt, meine Bekannten einzuladen.“ Sie lächelte und entblößte weiße Zähne. „Sie erwarten, dass ihr euch amüsiert. Party und laute Musik, du weißt schon.“
Rafiq erwiderte ihr Lächeln. Er erhob sich vom Sofa und verstaute das Dossier in der Innentasche seines Leinenjacketts.
„Gut“, sagte er und wandte sich zur Tür. „Dann gehe ich jetzt spazieren.“
Er fand ein Café am Ende der Treppe, nur zwei Straßen von der Bibliothek der Amerikanischen Universität entfernt. Von seinem Tisch aus konnte er über die Dächer der tiefer gelegenen Straßenzüge hinweg das Meer sehen. Rafiq drehte seinen Stuhl so, dass die Sonne ihn nicht blendete und blätterte das Dossier auf.
Obwohl es ein heißer Tag war, fühlte sein Magen sich kalt an. Er schlürfte seinen Kaffee in kleinen Schlucken und überflog die Seiten, ohne den Text wirklich zu lesen. Seine Gedanken waren weit fort, ein Durcheinander aus alten Bildern und verblassten Emotionen.
Ein anderer Tag im Sommer kam ihm in den Sinn, der Buchladen seines Vaters im Jnah-Distrikt. Es war der Tag, an dem er Nikolaj, seinen neuen russischen Schulfreund, seiner Familie vorgestellt hatte. Nikolaj war ein stiller Junge, der selten seine Stimme erhob, weder im Zorn noch aus Begeisterung. Die alten Handschriften aber, die im Laden ausgestellt waren, nahmen ihn sofort gefangen.
Das Geschäft im Jnah-Distrikt existierte nicht mehr, es war in den letzten Tagen des Bürgerkriegs durch eine Bombe zerstört worden, und mit ihm die pergamentenen Schätze in den Regalen. Vermutlich hatte das dem alten Mann das Herz gebrochen. Rafiq wusste nicht, ob sein Vater danach je versucht
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