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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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den Entzugserscheinungen einer starken Droge vergleichbar waren. Rafiq hatte es ihr mal erklärt. Rafiq, der auf der Seite lag und sich bei jedem Hustenanfall vor Schmerzen zusammenkrümmte. Auf seinen Lippen stand rötlicher Schaum, sein T-Shirt und die Jacke waren dunkel vom Blut. Es war an den Rändern getrocknet, doch immer noch sickerte mehr davon aus der Wunde.
    Nikolaj hatte ihn so gut es ging verbunden und war dann nach draußen gegangen, um nach den Israelis Ausschau zu halten. Sie glaubten zwar, dass die Soldaten die Verfolgung aufgegeben hatten, aber sicher waren sie nicht. Es war damit zu rechnen, dass über kurz oder lang Verstärkung eintraf, und dann würden schwer bewaffnete Truppen die Gegend durchkämmen. Khamal war nicht wieder aufgetaucht, Nikolaj hielt ihn für tot. Und Rafiq verlor immer wieder das Bewusstsein, seine Wachphasen wurden kürzer.
    Carmen hatte das Gefühl, in einem irrwitzigen Alptraum gefangen zu sein. Noch immer verstand sie nicht, was eigentlich schief gelaufen war. Die ganze Aktion hatte kaum zehn Minuten gedauert. Im Nachhinein erschien es ihr wie eine Ewigkeit aneinander gereihter Schrecken. Apathisch realisierte sie, dass ihr die Details entglitten. Ihr Verstand blendete einfach die Bilder aus.
    Schritte näherten sich, Sand knirschte unter Stiefelsohlen. Zwischen den beiden Felssäulen, die den Eingang ihrer Höhle bildeten, tauchte Nikolaj auf. Er hatte die Taschenlampe eingeschaltet, der dünne Strahl tanzte über den Boden und blieb an Rafiqs Gesicht hängen.
    Rafiqs Augenlider waren geschlossen, sie zuckten, als die Helligkeit sie streifte. Nikolaj schaltete die Lampe ab und ließ sich neben Carmen auf den Boden sinken. Es war so dunkel, dass sie nicht einmal seine Umrisse erkennen konnte. Sein Atem klang laut in ihren Ohren.
    „Alles ruhig bis jetzt“, sagte er. Seine Stimme klang ausdruckslos. Er riss sich zusammen, wie immer. Carmen war klar, dass er versuchte, die Panik nicht unnötig anzuheizen, aber seltsamerweise machte es sie nur wütend.
    „Dann brauchen wir uns ja keine Sorgen zu machen“, stieß sie hervor. Ihre Stimme klang schrill und zitterte. „Ruhen wir uns noch ein bisschen aus und gehen dann nach Hause.“
    Nikolaj antwortete nicht.
    „Scheiße“, Schluchzer mischten sich in ihre Worte, „was sollen wir jetzt tun?“
    Ihre Kehle war geschwollen, sie spürte, wie Tränen über ihr Gesicht liefen und sich in der Halsgrube sammelten. Rafiq hustete wieder, Stoff schleifte auf Stein, als er sich bewegte. Carmen tastete nach seinem Kopf, ihre Finger tauchten in klebrige Feuchtigkeit.
    „Wir brauchen ein Auto“, sagte Nikolaj plötzlich. „Und andere Klamotten.“
    „Ja“, brachte sie hervor.
    „Ungefähr zehn Kilometer von hier muss es ein Dorf geben, Shab’a. Ich hab’s mir aufder Karte angesehen, es ist auf der anderen Seite der Hügelkette.“
    „Die werden inzwischen überall Suchpatrouillen haben.“
    „Ich weiß nicht. Das Nest ist ziemlich abgelegen. Da führt nicht mal ’ne Straße hin.“
    „Wenn es auf der Karte eingezeichnet ist, dann kennen die Israelis es auch.“
    „Hast du eine bessere Idee?“
    Sie schwieg.
    Der Eingang zur Höhle war von Gestrüpp verborgen und so von weitem fast unsichtbar. Vielleicht war das der Grund, dass die Militärs noch nicht aufgetaucht waren. Carmen hatte ein paar Mal entfernte Motorengeräusche gehört, aber nie war ein Fahrzeug in ihren Sichtradius gekommen. Nur der Wind fegte über die Ebene. Er zerrte an ihren Kleidern, wenn sie draußen stand und Ausschau hielt nach einem israelischen Suchtrupp, nach einem Fellachen mit seinen Ziegen, nach Nikolaj. Wann war er aufgebrochen? Sie war sich nicht sicher. Die Leuchtzeiger auf ihrer Uhr hatten kurz vor fünf Uhr morgens angezeigt, als sie hochgeschreckt war. Dabei konnte sie sich gar nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Sie tastete mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. Das war noch so ein Problem. Es gab nichts zu trinken. Und ihre Essensvorräte beschränkten sich auf eine Handvoll Schokoriegel. Sie mussten hier weg, und zwar bald.
    Carmen beobachtete, wie der Sekundenzeiger das Rund voll machte und dann der Minutenzeiger um eine winzige Einheit weiterrückte. Auf diese Weise zählte sie sechs Minuten. Draußen wurde es schon wieder dunkel. Und Nikolaj war noch immer nicht aufgetaucht. Sicher würde er die Nacht abwarten, um ein Fahrzeug zu stehlen. Sie redete sich ein, dass sie Geduld aufbringen musste. Brüsk drehte sie sich um und

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