Das dunkle Fenster (German Edition)
israelischen Agenten.
Das Telefon klingelte erneut.
„Er haut ab“, klang Tals Stimme aus dem Hörer. „Was ist jetzt? Was soll ich machen?“
„Welchen Weg nimmt er?“, fragte Katzenbaum.
„Runter zur Straße. Da ist er jedenfalls nicht hergekommen.“
„Geh kein Risiko ein“, sagte der Katsa. „Die Kavallerie ist schon unterwegs.“ Er nahm das Handy vom Ohr und sah Rafiq an: „Er verlässt das Grundstück in Richtung Straße. Sagst du denen Bescheid?“
Rafiq nickte. Er schaute Sofia an, die das zweite Telefon zwischen Schulter und Kopf eingeklemmt hatte und etwas in schnellem Arabisch sagte. Sie erwiderte seinen Blick und machte eine Geste mit der Hand, die besagte: Alles in Ordnung.
Samis Wagen stand ein Stück die Straße hinunter, ein dunkelblauer Ford Taurus, der schon bessere Zeiten gesehen hatte.
Nikolaj entriegelte die Fahrertür, warf die Umhängetasche auf den Beifahrersitz und startete den Motor. Die Reifen drehten zuerst auf dem sandigen Boden durch, dann griffen sie. Langsam schob der Wagen sich die Böschung hoch auf die Teerstraße. Nikolaj klappte die Sonnen-schutzblenden herunter. Er gab Gas und beschleunigte. Von hier aus war es nicht weit zurück nach St. Erasmus. Nikolaj fragte sich, wie viel Zeit er sich erkauft hatte. Vielleicht ein paar Stunden, vielleicht, im besten Fall ein oder zwei Tage. Aber darauf durfte er sich nicht verlassen.
Hinter einer Steigung schimmerten die Dächer von Ijbeh durch die Baumkronen. Ein Pickup kam den Sandweg hoch, der von der Straße hinunter ins Dorf führte. Nikolaj bremste ab und ließ ihn auf die Fahrbahn abbiegen. Im Rückspiegel verfolgte er, wie der Wagen hinter dem Abhang verschwand.
Er tastete nach seinen Zigaretten. Seine Schulter war steif und gefühllos, aber auch beinahe schmerzfrei. Er fühlte sich erschöpft. Übermüdet. Dennoch spürte er, wie sich ein Teil seiner Anspannung löste. Er war wieder handlungsfähig.
Mit weitem Schwung lenkte er in eine Rechtskehre und trat erschrocken auf die Bremse, als unvermittelt ein Wagen auf der Gegenspur auftauchte. Oder nicht ein Wagen, sondern drei, die dicht hintereinander fuhren und in hohem Tempo an ihm vorbeizogen.
Nikolaj konnte nicht sofort erklären, was mit den Fahrzeugen nicht stimmte. Instinktiv beschleunigte er und behielt den Rückspiegel im Auge, während er viel zu schnell die nächsten Kurven nahm. Vielleicht war es der ungewöhnliche Umstand, dass ihm auf dieser kaum befahrenen Straße gleich drei Geländewagen begegneten. Geschlossene Jeeps, wie sie manchmal vom Militär benutzt wurden. Oder von den Milizen, die überwiegend die Grenzgebiete und die größeren Städte kontrollierten.
Ein Stück weiter vorn zweigte die Sandpiste zur Einsiedelei ab. Nikolaj bremste und fuhr vorsichtig über die Böschung, um zu vermeiden, dass sich eine Staubfahne bildete. Im Schritttempo rollte er den Abhang hinunter. Kurz bevor die höher gelegene Straße aus dem Rückspiegel verschwand, registrierte er, wie einer der Jeeps erneut die Stelle passierte. Es war nur ein schwaches Blitzen, ein Sonnenstrahl, der sich in der Lackierung fing.
Alles in ihm spannte sich an, während er sich zunehmend beherrschen musste, nicht zu beschleunigen. Er war jetzt sicher, dass dieses Aufgebot etwas mit ihm zu tun hatte. Die kurze Begegnung auf der Straße hatte ausgereicht, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Und ein Jeep hatte kehrt gemacht, um den dunkelblauen Ford Taurus aufzuhalten und zu überprüfen.
Mein Gott, dachte er, die waren schnell.
Schotter spritzte unter den Reifen weg, als er eine Serie von Bodenrillen passierte. Nikolaj erreichte die Talsohle, der Weg verbreiterte sich. Er fuhr den Taurus in das gleiche Kieferndickicht, in dem auch der gestohlene Wagen aus Beirut stand. Er warf sich die Tasche über die Schulter, schlug die Autotür zu und rannte den Hügel hinauf zu den Höhlen.
Sie mussten sofort von hier verschwinden. Das Tal war eine Sackgasse. Es gab keinen Ausgang und wenn ihre Verfolger sie hier in die Enge trieben, saßen sie fest.
Carmen kauerte an der Wand, als er die Höhle betrat. Sie richtete sich ein wenig auf, als sie ihn bemerkte, sagte aber nichts. Ihr Gesicht war eine Maske aus Blut, Dreck und getrockneten Tränen. Ihre Handgelenke waren wund und aufgescheuert. Sie hatte versucht sich zu befreien, natürlich. Er konnte es ihr nicht verübeln.
„Wir müssen hier weg“, sagte er. Rasch sammelte er die Taschenlampe, das Klebeband und die beiden Decken ein. Dann
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