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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Carmen zu sich kam, hatte sie einen pelzigen Geschmack im Mund. Ihr Kopf dröhnte, ihr ganzer Körper fühlte sich wund an. Sie versuchte, sich zu bewegen und merkte erst dann, dass ihre Hände und Füße gefesselt waren. Ihr war so übel, dass sie sich am liebsten auf der Stelle übergeben hätte. „Wo sind wir?“
    Es kam keine Antwort. Sie begriff, dass sie auf der Rückbank eines Wagens lag. Grob gewebte Stoffpolster drückten gegen ihre Wange. Mühsam wälzte sie sich herum. Die Decke rutschte von ihrem Körper, sie versuchte, sich in eine sitzende Position aufzurichten. Der Wagen schlingerte in eine Kurve und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie konnte Nikolajs Hinterkopf erkennen, der sich als dunkle Silhouette gegen den Hintergrund abmalte. Vor ihnen schlängelte sich eine schmale Straße, gesäumt von dichtem Kiefernwald. Die Sonne hing tief am Horizont, es musste später Nachmittag sein.
    „Wohin fahren wir?“
    Zu ihrer Überraschung antwortete er. „Wir suchen einen sicheren Ort.“ Er hielt den Kopf unverändert nach vorn gerichtet, aber sie sah, wie er ihr im Rückspiegel einen Blick zuwarf. Er schien sogar zu lächeln. „Ich weiß“, fügte er hinzu, „ich wiederhole mich.“ Seine Stimme klang weniger angespannt als zuvor.
    „Wie lange war ich weg?“
    Er warf einen Blick auf die Uhr am Handgelenk. „Fast vier Stunden.“
    Sie schüttelte den Kopf, bereute die Bewegung aber sofort.
    „Willst du was essen?“, fragte Nikolaj.
    „Später vielleicht. Mir ist schlecht.“
    Sie richtete sich weiter auf und lehnte ihren Rücken gegen das Türpolster. Eine Zeitlang betrachtete sie die vorbeifliegenden Baumwipfel, das Spiel aus verwischten Blau- und Grüntönen. Sie lotete das Gefühlschaos in ihrem Kopf aus. Der Zorn war versickert, und auch die abgründige Leere, die zeitweise jeden klaren Gedanken erstickt hatte. Sie versuchte ihre Situation zu analysieren. Obwohl er angeschlagen war, war Nikolaj ihr körperlich weit überlegen. Jeden ihrer Fluchtversuche hatte er mit Leichtigkeit erstickt. Sie musste einsehen, dass er sich ihr als Gegenspieler mehr als ebenbürtig zeigte.
    Dass ihre Wege durch die gemeinsame Vergangenheit miteinander verknüpft waren, machte alles nur noch komplizierter. Carmen gestand sich ein, dass sie befangen war. Jede seiner Handlungen, jedes Wort von ihm löste einen Wust widersprüchlicher Emotionen aus. Sie hatte verstehen wollen, was aus dem Nikolaj Fedorow ihrer Jugend geworden war. Doch das, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden herausgefunden hatte, verstörte sie zutiefst. Der Mann, der am Steuer saß, war ein Unbekannter. Er jagte ihr Furcht ein, eine sehr elementare und greifbare Form von Entsetzen.
    Todesangst.
    Gerade jetzt fühlte sie sich besser, aber es hatte Augenblicke gegeben, gestern Nacht, in denen sie gefürchtet hatte, dass er sie töten würde. Sie fühlte sich hilflos, weil sie ihn nicht einschätzen konnte. Sie wusste einfach nicht, wie weit sie gehen durfte, konnte seine Reaktionen nicht vorhersagen. Das brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie kannte Nikolaj und kannte ihn auch wieder nicht. Ihr war nun klar, dass sie ihn nicht würde manipulieren können. Was blieb ihr sonst noch an Optionen?
    Rafiq.
    Er würde sicher Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Dennoch durfte sie sich nicht zu sehr darauf verlassen. Rafiq musste sie zunächst einmal finden.
    In diesem Moment trat Nikolaj hart auf die Bremse. Die Fliehkraft schleuderte sie gegen die Vordersitze, der Aufprall riss sie schmerzhaft aus ihren Überlegungen.
    Es war eine hastig errichtete Straßensperre direkt hinter einer Kurve, zwei offene Militärjeeps, die einfach quer über die Fahrbahn gestellt waren. Im Augenblick, da Nikolaj reflexartig abbremste, wusste er, dass er niemals unbeschadet diese Kontrolle passieren konnte. Nicht mit diesem Wagen, nach dem wahrscheinlich bereits gefahndet wurde, und vor allem nicht mit einer gefesselten Frau auf der Rückbank. Er wusste, dass das Spiel verloren war, wenn er jetzt anhielt und zuließ, dass sie sich ihm näherten. Zwischen den Jeeps konnte er uniformierte Männer erkennen, Soldaten mit automatischen Waffen. Ihre Uniformen ...
    Syrer, erkannte er plötzlich. Die Kerle gehörten der syrischen Besatzungsmacht an, die noch immer im Libanon stationiert war. Nikolaj rammte einen Gang ins Getriebe und fuhr mit Vollgas rückwärts, bis zu der kleinen Haltebucht, die er gerade passiert hatte. Hektisch wendete er. In der Kurve tauchte einer

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