Das dunkle Fenster (German Edition)
zeitlich begrenztes Abkommen.“
„Und was“, fragte er hilflos, „hast du dir so vorgestellt?“
Er war nervös. Nicht wegen des Bootes, das auf sich warten ließ, sondern wegen Carmen. Wegen dieses Gesprächs, das sie angestoßen hatte. Er war nicht darauf vorbereitet.
„Zuerst will ich diesen verdammten Umhang loswerden.“ Sie lachte auf, ein spröder, freudloser Ton. „Nein, vergiss es“, murmelte sie, „war ein Witz. Also ja“, relativierte sie, „das will ich schon, aber das ist nicht der Kern der Sache.“
Nikolaj warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Die Zeiger hatten halb zwölf überschritten.
„Ich dachte an eine Art Waffenstillstand“, sagte Carmen. „Du garantierst mir, dass ich lebend aus der Sache rauskomme und ich verzichte darauf, mir selbst zu helfen.“
Nikolaj atmete tief die salzige Luft ein. „Das ist alles? Ich meine – gut für mich. Aber was ist für dich dabei drin?“
Carmen ignorierte seine Frage. „Können wir uns darauf einigen?“, bohrte sie nach.
„Warum nicht? Ich lasse dich aus der Sache raus, sobald ich sicheren Boden unter den Füßen habe.“ Er zögerte, überlegte, ob er noch etwas hinzufügen sollte. „Mehr will ich nicht“, schloss er. Das allerdings entsprach nicht vollständig der Wahrheit. Aber es war etwas, das er zuerst mit sich selbst austragen musste.
„Gut.“
Eine plötzliche Windböe wühlte das Wasser auf und trieb es gegen den Holzsteg. Nikolaj sprang ein Stück zurück, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass seine Hose bis zu den Knien mit Salzwasser getränkt wurde. Er murmelte einen Fluch.
„Okay.“ Carmen versuchte den Wind zu übertönen, „wenn wir diese Vereinbarung haben, könnten wir dann vielleicht über erleichterte Haftbedingungen verhandeln?“
„Wie zum Beispiel, diesen Hedschab loszuwerden?“
„Ja.“
„Nein.“
„Nein?“ Ihre Stimme klirrte vor Enttäuschung.
„Unser Abkommen“, er musste unwillkürlich lächeln, obwohl sie das in der Dunkelheit nicht sehen konnte, „braucht zuerst etwas Vertrauen. Du wirst zugeben, dass wir das erst mal aufbauen müssen.“
„Du meinst, du traust mir nicht.“
Er musste lachen. „Carmen, was erwartest du?“ Übergangslos wurde er wieder ernst. „Ich meine, ich kann dich verstehen. Wirklich. Aber du musst auch mich verstehen. Und ganz platt gesagt, ich habe die Waffe, also mache ich die Regeln. Das ist zwar nicht demokratisch, aber so liegen die Dinge nun mal.“
„Gilt unsere Vereinbarung trotzdem noch?“
„Warum sollte sie das nicht?“
„Weiß nicht. Ich hatte gerade ein schlechtes Gefühl.“
Nikolaj wollte etwas erwidern, verstummte dann aber, weil er im Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Dann hörte er Stimmfetzen, die sich mit dem Wind mischten. Ein Umriss löste sich aus der Schwärze, im gleichen Moment stieß rumpelnd das Boot gegen den Holzpfosten. Ein Mann richtete sich auf und warf ein Seil um den Poller.
„Bonsoir“, rief er Nikolaj zu. „Guten Abend! Ich bin Pierre.“ Mit beachtlicher Geschicklichkeit kletterte er auf den Steg und zog das Seil fest. „Los, steigt ein“, sagte er in grobem Französisch. „Mein Bruder da unten fängt euch auf.“
Erst jetzt bemerkte Nikolaj, dass noch ein zweiter Mann im Boot hockte. Er schob Carmen zum Rand des Stegs.
„Wir haben ein bisschen Seegang“, fügte Pierre lachend hinzu. „Aber noch nicht so schlimm, dass ihr euch Sorgen machen müsst.“
Sie hoben Carmen hinunter in das Boot, dann reichte Nikolaj dem Mann unten seine Tasche und sprang selbst hinab. Als Pierre das Seil löste, begannen die ersten Tropfen zu fallen. Sein Bruder ließ den kleinen Hilfsmotor an, der am Heck des Bootes befestigt war. Nikolaj veränderte seine Sitzposition ein wenig. Dabei stieß er mit dem Fuß gegen einen losen Gegenstand auf dem Boden. Er bückte sich danach, ertastete Metall und Kunststoff und zog die Hand zurück, als er erkannte, was es war.
Pierre war die Bewegung nicht entgangen. „M-I6“, erklärte er, „beste amerikanische Qualität. Nur zur Sicherheit, ja? Man weiß nie, wen man hier draußen so trifft.“ Er quittierte seine eigene Bemerkung mit einem Lachen.
Nikolaj versicherte sich selbst, dass ihn das nicht überraschen durfte. Natürlich waren die Kerle bewaffnet. Ihr Job war schließlich nicht ungefährlich.
Der Wind wurde stürmischer, je weiter sie auf die offene See hinausfuhren. Ein Stück vor ihnen blinkten die Positionslichter einer Küstenpatrouille. Eine heftige
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