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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Böe erschütterte das Boot, einen Augenblick später ergoss sich ein Schwall Salzwasser ins Innere. Pierres Bruder begann heftig zu fluchen, bis Pierre ihm mit einer Geste gebot zu schweigen.
    „Wir sind gleich da!“, brüllte er.
    Nikolaj nickte nur. Einige Sekunden später stießen sie gegen einen hoch aufragenden Schiffsrumpf. Der Kapitän hatte alle Lichter ausgeschaltet, damit war der Kahn praktisch unsichtbar, vor allem bei dem aufziehenden Unwetter. Der Rumpf verschmolz mit der schwarzen Wasserfläche.
    Die Brüder vertäuten das Boot, dann kletterten sie über eine rostige Eisenleiter an Deck. Durchdringender Fischgeruch empfing Nikolaj, als ein paar Hände ihn auf dem letzten Meter nach oben zogen. Er entdeckte drei weitere Männer in Öljacken.
    „Vorsicht“, sagte einer auf Französisch, „die Planken sind glitschig.“
    Nikolaj murmelte einen Dank, dann trat er ein Stück von der Reling weg, um die Männer nicht zu behindern, während sie das Boot aus dem Wasser bargen.
    Man schob sie zu einer Treppe, die unter Deck führte. Hinter einer Blechtür öffnete sich eine Art Aufenthaltsraum, der mit einem Tisch und ein paar Stühlen ausgestattet war. Die Möbel waren mit Stahlwinkeln am Boden verschraubt. Kurze Zeit später tauchte völlig durchnässt Delacroix auf.
    „Scheißwetter“, murrte er zur Begrüßung. Dann verzog er den Mund zu einem Lächeln. „Aber trotzdem herzlich Willkommen auf der Marie Savoyen, meinem wunderbaren Schiff.“ Sein Blick streifte Carmen, aber nur für einen Moment. Dann wandte er sich erneut Nikolaj zu. „Sie haben mir etwas mitgebracht, nehme ich an?“
    Nikolaj zog einen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. Absichtlich streifte er den Stoff dabei so weit zurück, dass Delacroix die Beretta in seinem Gürtel bemerken musste.
    „Das ist die erste Hälfte des Honorars“, sagte er.
    Der Franzose nahm den Umschlag und warf einen kurzen Blick hinein. Sein Lächeln wurde breiter. Mit einer schnellen Bewegung ließ er das Kuvert in seiner Tasche verschwinden.
    „Merci bien. Besten Dank. Die Crew der Marie Savoyen wünscht eine angenehme Überfahrt.“ Er machte eine kleine Verbeugung, die überraschend elegant wirkte. „Ich bin Ihr Kapitän auf dieser Reise. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.“ Er wandte sich zum Gehen. In der Tür blieb er noch einmal stehen. „Wir sind etwas spät dran. Und vielleicht sammeln wir noch ein bisschen mehr Verspätung auf, wenn der Sturm nicht besser wird.“ Ein Stirnrunzeln, das sich aber sofort wieder glättete. „Andererseits hat das natürlich auch Vorteile, eh? Das Wetter ist unsere Tarnkappe.“ Er lachte.
    „Ich dachte, Sie schmieren die Küstenwache?“, fragte Nikolaj.
    „Oui. Das tue ich.“ Delacroix machte eine vage Handbewegung. „Aber man weiß ja nie, wem man sonst noch da draußen begegnet.“
    Nikolaj starrte ihn an. Er hatte das Gefühl, etwas zwischen den Zeilen gehört zu haben. Einen Unterton im jovialen Tonfall des Franzosen, der nicht zu seinen Worten passte. Verbissen bemühte er sich, dieses Gefühl festzuhalten, es zu analysieren. Aber der Moment ging vorbei.
    Paranoia.
    Er dachte an das M-I6 im Beiboot. Diese Jungs durfte er nicht unterschätzen. Falls sie sich entschließen sollten, sein Geld zu nehmen und ihn kurzerhand über Bord zu werfen, würde er sie kaum daran hindern können. Deshalb musste er auf Abschreckung setzen, musste ihnen signalisieren, dass er sich nicht kampflos ergeben würde. Deshalb hatte er Delacroix die Pistole sehen lassen. Sie mussten wissen, dass es im Falle einer Auseinandersetzung Verletzte geben würde, vielleicht sogar Tote. Dass sie ein hohes Risiko eingingen, wenn sie versuchten, ihn zu betrügen. Eins, das sich nicht wirklich lohnte. Denn was konnten sie schon dabei gewinnen? Er bezahlte ohnehin fürstlich für die Passage. Und es bedeutete kaum Mühe für die Crew, zwei zusätzliche Passagiere mitzunehmen. Das war leicht verdientes Geld. Also doch Paranoia.
    Er wischte die Gedanken beiseite. Es gab keinen echten Grund, sich Sorgen zu machen. Natürlich würde er die Augen offen halten, aber das tat er ohnehin die ganze Zeit.
    „Machen Sie es sich gemütlich“, sagte Delacroix. „Solange der Wind nicht abflaut, würde ich es begrüßen, wenn Sie sich an Deck nicht blicken lassen. Sie stehen dann bloß im Weg und lenken meine Jungs ab.“ Er grinste. „Nichts für ungut.“
    Klappernd fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
    Carmen setzte sich auf einen der

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