Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
ihn ganz bewusst, weil sie ihn kannte. Sie hatte ihn lange genug studiert. Er verlangte absolute Unterwerfung, und er erlangte sie durch Einschüchterung und Grausamkeit. Alle mussten sich ihm beugen, vor allem Frauen. Er hasste die Frauen, die Leben in ihren Körpern trugen, sich aber weigerten, seine Regeln zu befolgen. Sie waren seiner Meinung nach in die Welt gesetzt worden, um ihren Männern zu dienen, um benutzt zu werden, in welcher Weise auch immer die Männer es für richtig hielten, und dennoch waren sie dem Regenwald und seiner, Brodricks, Autorität entflohen, um sich nach menschlichen Männern umzuschauen. Das zu erkennen war ein Schlag ins Gesicht für ihn gewesen, und er hasste die Frauen dafür. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit bestrafte er sie auf erniedrigendste und brutalste Weise. Solange wusste, dass ihre Missachtung ihn rasend machen würde – und genau das wollte sie erreichen.
Lange starrten sie einander an, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sie konnte die Kraft sehen, die sich in seinem Körper bündelte.
»Es ist lange her – Vater .« Sichtlich angewidert spie sie das Wort förmlich aus.
Der Panther stutzte, seine Muskeln erstarrten. Sie hatte ihn von seinem Angriff abgebracht. Den Blick noch immer unverwandt auf ihn gerichtet, spielte sie um Leben und Tod mit ihm.
»Du wolltest königliches Blut. Bin ich die Einzige, bei der es dir nicht gelungen ist, sie zu vernichten?«
Sie sah das Zögern – die Verwirrung. Er wollte eine reinblütige weibliche Gestaltwandlerin, doch woher kam sie? Und königliches Blut? Von all den Hunderten weiblicher Kinder, die er getötet hatte, würde er sich nicht an ein bestimmtes erinnern können. Er würde sie lebend wollen. Er wusste, dass sie eine Gestaltwandlerin war und wie schnell und gut sie darin war. Es waren so wenige Frauen geblieben, die ihre Gestalt wandeln konnten.
Sie fasste sich in Geduld, atmete ruhig ein und aus und wartete darauf, dass ihm die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. Dass sie nicht von reinrassig, sondern königlich gesprochen hatte. Sie sah es sofort, als er begriff. Vater . Königlich . Oh ja, jetzt hatte er es erfasst. Sichtlich schockiert, doch ohne den Blick von ihr zu lassen, schüttelte er den Kopf.
Sie grinste ihn an. »Was? Wirst du mich nicht daheim willkommen heißen – Daddy? «
Es war der pure Hohn. Eine Provokation. Eine Frau, die es wagte, ihn herauszufordern.
Er fauchte und begann, sich zu verwandeln – wie Solange es schon vorausgesehen hatte. Ihr blieben nur Sekunden. Er war schnell – schneller, als sie für möglich gehalten hätte. Sie hob die Armbrust und schoss einen Pfeil in seine sich verwandelnde Kehle. Dann fuhr sie herum, sprang in den nächsten Baum und machte, dass sie wegkam. Denn falls sie ihn nicht getötet hatte, würde er sie verfolgen.
Sie hörte das Gebrüll, sah Blut spritzen und rannte weiter. Der schwarze Panther war außer sich vor Wut, und eine verwundete Raubkatze war doppelt gefährlich. Etwas Großes krachte hinter ihr auf den Baum, so heftig, dass er durchgeschüttelt wurde und sie fast den Halt verlor. Schnell warf sie sich auf den nächsten Ast, der aber genauso erzitterte, sodass sie kriechen musste, um nicht abzustürzen. Baumfrösche sprangen ihr aus dem Weg. Eine Eidechse kam unter den Blättern hervor und ergriff die Flucht. Solange registrierte die Bewegung im Augenwinkel, zögerte aber nicht, sondern sprang zum nächsten Baum hinüber, wo sie auf den Knien landete und herumwirbelte, um einen zweiten Pfeil mit ihrer Armbrust abzuschießen.
Der schwarze Panther sah scheußlich aus mit seinen gefletschten Zähnen und den Strömen von Blut, die von seinem Hals zu seiner breiten Brust hinunterliefen. Seine zornigen, entschlossenen Augen, die unverwandt auf sie gerichtet waren, glühten rot im Dunkel. Beim Anblick der geladenen Armbrust legte er die Ohren an. Der Pfeil traf ihn oben an der Schulter, und er brüllte seine Wut heraus, die im ganzen Wald nachhallte.
Vögel kreischten und stieben trotz der Dunkelheit aus dem Blätterdach der Bäume auf, um dem Zorn eines bis zum Äußersten gereizten Panthers zu entgehen. Solange wusste besser als die meisten, mit welcher Kraft eine große Katze zuschlagen konnte, und als Brodrick sie ansprang, machte sie einen Satz zum nächsten Baum. Ihre Hände verfehlten den Ast jedoch, und ihr Herz überschlug sich fast. Ihre ausgestreckten Arme prallten gegen einen dünnen Ast, dessen Knacken nicht zu überhören war,
Weitere Kostenlose Bücher