Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
Baum zum Ufer und ließ sich erschöpft in das Gras und den Schlamm am Boden fallen. Riesige Wurzelgeflechte bildeten einen bizarr aussehenden, dunklen und geheimnisvollen Dschungel, aus dem sie mit furchtsamen – oder hungrigen – Augen beobachtet werden konnte. Sie versuchte aufzustehen, fiel aber zweimal hin, und so schleppte sie sich schließlich mit letzter Kraft tiefer in den Wald hinein. Solange könnte sich verwandeln, doch ihrer vielen Verwundungen wegen bezweifelte sie, dass der Jaguar besser vorankommen würde als der Mensch.
Schließlich benutzte sie eine der Lianen, um sich hochzuziehen, und machte sich stolpernd in Richtung der fünf kleinen Kalksteinhöhlen auf. Sie schienen alle einzelne winzige Kammern zu sein, doch Solange hatte schon vor Jahren in einer von ihnen einen Eingang entdeckt, der zu einem Bienenstock viel tiefer unter der Erde liegender Kavernen führte. Mehr als einmal hatte sie sich dorthin zurückgezogen, wenn sie Wunden gehabt hatte, die verheilen mussten, und einen sicheren Unterschlupf benötigt hatte. Es wäre ihr niemals eingefallen, in diesem Zustand zu ihren Cousinen oder irgendjemand anderem zu gehen. Sie war verwundet und angreifbar, und sie würde nie riskieren, einen Feind zu ihrer Familie zu führen.
Schutz suchend schlang sie die Arme um ihre Mitte und setzte den Weg durchs Dunkel fort. Es war gefährlich, sich bei Nacht mit einem halben Dutzend blutender Wunden im Dschungel aufzuhalten, aber sie wagte nicht innezuhalten, um ihren Körper zu untersuchen. Er brannte bei jedem ihrer holprigen Schritte, und aus Erfahrung wusste sie, welchen Schaden Krallen und Zähne anrichten konnten. Doch im Allgemeinen heilten ihre Verletzungen recht schnell. Brodrick hätte sie töten können, hatte es jedoch unterlassen. Er war wütend gewesen, aber er wollte ihr königliches Blut und ihre Fähigkeit, sich zu verwandeln. Brodrick war verderbt genug, zu denken, seine eigene Tochter könnte ihm einen Sohn von königlichem Blute schenken.
Solange fuhr sich mit der Hand durch ihr strähniges, verfilztes Haar. Oft schnitt sie es einfach ab, wenn es sich nicht mehr bändigen ließ. Es war dicht wie das der meisten Jaguarmenschen, und es wuchs sehr schnell. Je öfter sie es abschnitt, desto schneller schien es nachzuwachsen. Es war zobelbraun, ganz ähnlich wie ihr Jaguarfell, und mit einigen goldenen Strähnen durchsetzt. Falls sie irgendetwas an sich schön fand, dann war es ihr Haar. Aber im Moment sah es natürlich sehr ungepflegt aus.
Die Katzenaugen ermöglichten es ihr, in der Dunkelheit zu sehen, als sie sich einen Weg durch Bäume und Gestrüpp, den Wald aus Riesenfarnen und das Gewirr der sich über den Boden schlängelnden Wurzeln bahnte. Sie stellte einfach nur einen Fuß vor den anderen, denn sie kannte sich im Dschungel aus; sie war schon bei anderen Gelegenheiten hier gewesen, verwundet, kraftlos und verzweifelt, und auch diese Wunde würde nicht die letzte sein. Manchmal, so wie in dieser Nacht, konnte keiner gewinnen. Annabelle war gestorben; sie würde nicht zu ihrem Ehemann zurückkehren. Annabelle hatte wahrscheinlich nicht einmal gewusst, warum die Männer sie aus ihrem Zuhause in Frankreich entführt hatten.
Solange schloss sekundenlang die Augen und holte tief Luft, als sie sich plötzlich der Stille der Insekten bewusst wurde. Normalerweise war ihr Summen ein Hintergrundgeräusch, das nie verstummte, doch in diesem Teil des Waldes war es ungewöhnlich ruhig. Irgendetwas Gefährliches lauerte hier. Etwas Unnatürliches. Es war kein Jaguar und auch kein anderes den Waldbewohnern vertrautes Raubtier, das bei Nacht den Regenwald durchstreifte. Nein, die Untoten mussten die Gefahr sein, die sogar den Insekten Angst einjagte.
Solange verschmolz mit den Bäumen und drückte sich fest an einen der dicken Stämme. Ihr Jaguar nahm Witterung auf, und ihr Herz begann zu rasen. Nicht nur ein Untoter, sondern gleich mehrere befanden sich nicht weit vor ihr. Sie spürte eine vertraute und sehr seltsame Reaktion in ihren Adern, die ihren Adrenalinausstoß hochschnellen ließ. Als sie sich umdrehte, um davonzuschleichen, erkannte sie einen vertrauten Geruch.
Den der Familie de la Cruz .
Sie hätte ihn überall erkannt. Juliette strahlte ihn genauso aus wie MaryAnn. Solange unterdrückte einen Fluch. Sie war völlig ausgelaugt, aber dieser Duft gehörte zu ihrer Familie, und die war ihr heilig. Solange kämpfte gegen die Müdigkeit an und versuchte, klar zu denken. Halb
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