Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
tief Luft und fuhr mit einem Fingernagel über ihre Haut, um ihr die Vene aufzuschlitzen. Helle rote Blutstropfen quollen heraus, kleine, schöne Rubine, die glitzerten wie Juwelen.
»Komm, Bruder!«, sagte sie sanft. »Trink und suche dann Ruhe in der heilenden Erde! Es wird vorbeigehen. Es ist dir nicht zum ersten Mal passiert. Du bist stark, und wir brauchen dich.«
Zacarias konnte den Blick nicht von dem Blut abwenden. »Nicht so. Auf keinen Fall. Es ist zu gefährlich, Dominic. Schick sie weg von mir, weit weg!«
»Solltest du zu weit gehen, werde ich deine Wünsche respektieren«, versprach Dominic, und seine Kehle war eng vor ungeweinten Tränen. »Du bist mein Bruder. Unser Bruder. Trink. Du wirst nicht die Kontrolle verlieren.« Er versuchte, Zacarias einen kleinen Anstoß zu geben, aber letztendlich war es dessen Entscheidung. Er musste gegen das Tier in sich ankämpfen und seine letzte Kraft zusammennehmen, um diese schlimme Krise zu überwinden.
Solange blieb fest. Von allen dreien war sie die ruhigste. Sie bot Zacarias ihr Handgelenk an. Trat er vor und nahm das Angebot an, wäre er Dominic schutzlos ausgesetzt. Sie hatte sich als Köder aufgebaut. Und alle drei wussten es.
Leben oder Tod.
Wähl das Leben! , flehte Dominic im Stillen.
Zacarias überwand die Entfernung zwischen ihnen, und seine Brust und sein Herz waren völlig ungeschützt und angreifbar für Dominic, als der Ältere die angebotene Hand ergriff. Mit voller Absicht hielt er einen Arm ein wenig abgespreizt von seinem Körper, während er mit der anderen Solanges Handgelenk festhielt.
Sie konnte nicht verhindern, dass ein Erschaudern sie durchlief, aber sie wich nicht zurück, als Zacarias den Mund auf ihren Arm senkte und trank.
10. KAPITEL
Lass meine weichen Arme dich streicheln,
lass unsere Lieder sich vermischen!
Lass mich an deiner Seite stehen –
lass mich dein Herz befreien!
Solange zu Dominic
D ominic trat näher zu Zacarias, weil er wusste, wie schnell der andere Karpatianer war. Er hatte in zahllosen Schlachten neben Zacarias gekämpft und kannte jeden seiner Züge. Wie Schattentänzer beäugten sie einander, als der ältere Karpatianer sich über Solanges Handgelenk beugte. Zacarias wirkte verwundbar, aber Dominic ließ sich davon nicht täuschen. Solange war seine Seelengefährtin, und sie war die verwundbarste von allen. Zacarias könnte sie in Sekundenschnelle töten. Das allein würde Dominic genug erschüttern, um dem Älteren einen kleinen Vorteil zu verschaffen.
Die Spannung wuchs. Solange stand ganz still und schaute Dominic ins Gesicht. Sie sah Zacarias nicht einmal an, als er das kostbare Blut aus ihrem Körper sog. Sie zog sich aus Dominics Geist zurück, aber er schlüpfte in ihren, hörte ihre stummen Schreie und erlebte mit, wie die Furcht sich Entsetzen näherte. Erstaunlicherweise zeigte sich aber nichts davon auf ihrem Gesicht, nicht einmal in ihren Augen. Wäre er nicht geistig mit ihr verbunden gewesen, hätte Dominic nie erfahren, welche Angst sie hatte.
Seine Frau. Seine Seelengefährtin – deren Mut geradezu beängstigend für ihn war. Am liebsten hätte er Zacarias von ihr weggerissen. Dominic konnte die Gier sehen, das verzweifelte Verlangen, die wachsende Gefahr. Die Zeit dehnte sich. Das schlürfende Geräusch, mit dem Zacarias ihr Blut aufnahm, war scheußlich, der Anblick unerträglich – aber Dominic zwang sich, stillzuhalten wie Solange und es durchzustehen. Schweißperlen bildeten sich auf seinem Körper und rannen an seiner Brust hinunter, um sich mit den tiefen Kratzwunden dort zu vermischen. Zu wissen, dass seine Gefährtin nicht nur in Gefahr war, sondern obendrein noch litt, war für einen Karpatianer eines der schlimmsten Dinge überhaupt.
Dominic begann, sich zu bewegen, aber er spürte Solanges Widerstand.
Bitte lass ihm Zeit, sich zu erholen! Er versucht, sich zurückzuziehen.
Sie musste es wissen. Zacarias’ Mund klebte an ihrer Vene und sog sehr stark daran. Solange war blass und kalt, doch sie wehrte sich nicht. Dominic begriff, dass es das war, was Zacarias zügelte – ihr nicht vorhandener Widerstand. Sie hatte ihm ihr Leben angeboten. Sie war seine Familie, stand unter seinem Schutz, und Zacarias war ein Mann, für den die Ehre über alles ging. Solange brachte es ihm in Erinnerung. Sie zwang ihn, die Ehre zu wählen. In dieser Nacht würde es kein Entkommen geben für Zacarias. Sein Leben würde weitergehen, öde, hässlich und ohne Hoffnung.
Wenn ich sage,
Weitere Kostenlose Bücher