Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
Zacarias hat mir das erklärt. Er sagte, Sie und Ihre Frau hätten mich gerettet. Und ihn auch.«
Dominic schüttelte den Kopf. »Vielleicht haben wir ihm die Wahl erleichtert. Ich werde das Schlachtfeld säubern, während Sie zunächst mal sehr viel Flüssigkeit trinken. Dann müssen Sie mich zu dem Leichnam bringen und alle anderen wegschicken.«
Solange strich Marguarita das Haar aus dem Gesicht. Still und blass, wie sie dalag, sah sie aus wie eine schöne zerbrochene Puppe. Doch nicht einmal ihre langen, dichten Wimpern konnten die dunklen Schatten unter ihren Augen ganz verbergen. Nur wenige Stunden zuvor war sie noch eine schöne, vitale junge Frau gewesen. Solange seufzte leise. Es gab so viel Gewalt auf dieser Welt, insbesondere gegen Frauen, schien ihr. Was hatte Marguarita verbrochen? Sie hatte ihr Leben gelebt und war glücklich gewesen. Nun war ihr Vater tot, und sie lag mit eingedrückter Kehle da. All das erschien Solange so schrecklich sinnlos. Sie hatte fast jeden Tag ihres Lebens damit verbracht, gerade solche Gräuel zu verhindern, und doch schien sie auf Schritt und Tritt zu versagen.
»Es tut mir leid, dass ich nicht hier war«, sagte sie leise. Wieder einmal war sie zu spät gekommen.
Sie zog Marguarita Schuhe und Strümpfe aus und deckte sie dann wieder zu. Von jetzt an würde es die Aufgabe der Leute auf der Ranch sein, die junge Frau zu pflegen. »Wie werden sie das bloß alles erklären?«
»Sie haben Ärzte in der Familie«, sagte Dominic hinter ihr.
Fauchend fuhr Solange herum. Niemand schlich sich an sie an! Sie war eine Katze. Sie roch die Anwesenheit anderer, und dennoch stand er hier, ohne dass sie ihn bemerkt hatte, und schien den ganzen Raum mit seinen breiten Schultern und dem kräftigen Körper einzunehmen.
»Wie bist du hier hereingekommen?«
»In anderer Gestalt. Ich wollte nicht von den Arbeitern bemerkt werden. Bist du bereit, zu gehen?«
Seine Stimme klang genauso sanft wie immer, aber Solange wusste, dass irgendetwas an ihm nagte. So war es schon die ganze Zeit gewesen, seit sie Zacarias Blut gegeben hatte. Solange zerbrach sich den Kopf darüber, was sie falsch gemacht haben könnte. Wenn er bei ihr war, hatte sie keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollte. Was sie denken, sagen oder fühlen sollte.
Sie hätte ihm gern gestanden, dass sie alles sein wollte, was er je brauchen würde. Der Gedanke, dass eine andere Frau ihn berührte, Zeit mit ihm verbrachte, das Leben mit ihm teilte oder auch nur mit ihm lachte oder plauderte, war ihr unerträglich. Solange war klar, dass sie irgendwie einen unwiderruflichen Schritt gemacht hatte, als sie ihm die Wahrheit über ihr Blut gesagt hatte. Sie hatte der Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft Tür und Tor geöffnet, und jetzt fürchtete sie sich vor den Konsequenzen. Doch sie konnte ihr Herz nicht der Obhut eines Mannes übergeben, das passte einfach nicht zu ihr. Und trotzdem konnte sie nicht aufhören, ihn zu begehren.
Er nahm ihr die vollkommene Einsamkeit, die sie fast ihr ganzes Leben lang ertragen hatte. Dominic Drachensucher …
Sie hatte den Namen Drachensucher schon früher gehört. Mehr als ein Name war es ein Titel, eine voller Ehrfurcht erzählte Legende, ein beängstigender Mythos. Selbst die Brüder de la Cruz senkten unwillkürlich die Stimme, wenn sie von dem Drachensucher sprachen. Solange hatte nie an seine Existenz geglaubt, sondern gedacht, er sei nur der Held einer karpatianischen Geschichte, ein großer Krieger, ein Furcht erregender Kämpfer und Abkömmling eines so starken Geschlechts, dass keiner seiner Vorfahren je zu einem Vampir geworden war. Sie hatte den Respekt gesehen, den Zacarias ihm entgegenbrachte, und der alte Karpatianer respektierte nur sehr wenige Personen. Sie wusste, dass auch Zacarias als Krieger einen bemerkenswerten Ruf besaß, aber er war eindeutig vor Dominic zurückgetreten.
Es war schwierig, den Mann, der sie so liebevoll behandelt hatte, mit der Legende gleichzusetzen. Sie warf einen raschen Blick auf Dominics Gesicht. Seine gut aussehenden, markanten Züge waren durch tiefe Linien geprägt, die von Härte und Entschlossenheit sprachen. In der kurzen Zeit, die sie zusammen gewesen waren, hatte er ihr die besten Momente ihres Lebens geschenkt.
»Solange? Bist du so weit?«, unterbrach er ihre Gedanken und streckte ihr die Hand hin.
Das Herz sprang Solange in die Kehle. Sie könnte nie und nimmer in aller Öffentlichkeit seine Hand halten! Was, wenn jemand sie so sah?
Weitere Kostenlose Bücher