Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Geräusch gewöhnt. Die Gerüche waren ins Zimmer zurückgekehrt. Es war, als wäre er nie fort gewesen.
Er taute in der Badewanne auf, mit zwei Fingerbreit Glenfarclas cask strength auf dem Badewannenrand, sechzig Prozent, das beste Teufelsgesöff der Welt.
Er hatte sich sehr langsam in dem furchtbar heißen Wasser niedergelassen. Seine Hoden schrumpften wie Walnüsse auf glühender Kohle, als sie das Wasser berührten. So sollte es sein.
Er hielt die Füße über der Wasseroberfläche, seine Zehen waren immer noch weiß und blau wie bei einem echten Supporter, der im Februar auf schneebedeckten Feldern alle Trainingsspiele des IFK verfolgt. Aber der IFK war nicht hier, die Truppe war im Trainingslager an der Costa del Sol. Der Einzige, der hier war, das war er.
Er trocknete die Hand an dem Handtuch ab, das auf dem Mosaikboden neben der Wanne lag, und gab die Kurzwahl der Costa del Sol ein.
»Mir ist kalt«, sagte er, als sie sich meldete. »Ich sitze in kochend heißem Wasser, aber mir ist kalt.«
»Selber schuld.«
»Es ist schlimmer, als ich gedacht habe.«
»Was? Das Wetter oder der Fall?«
»Beides.«
»Was passiert?«
»Wir warten auf Torstens Ergebnisse, du weißt ja. An Türen klingeln. Vernehmungen. Morgen spreche ich wieder mit dem Vater.«
»Ja, Herr im Himmel.«
»Ein Problem ist der Zeitpunkt.«
»Hängt das mit dem Mann zusammen?«
»Bei ihm müssen wir anfangen.«
»Hast du ihn wirklich in Verdacht?«
»Familienmitglieder verdächtigt man immer als Erste. Aber im Augenblick kann ich denken, was ich will, es bringt mich nicht weiter.«
»Was ist das nur für eine Welt, in der wir leben«, sagte sie.
»Er ist ein arroganter Kerl«, sagte er. »Das kann für ihn sprechen.«
»Er steht doch bestimmt unter Schock.«
»Ich bin mir nicht so sicher.«
»Du musst dir jemanden suchen, mit dem du über alles sprechen kannst.«
»Da magst du recht haben.«
»Sonst hast du es immer geschafft.«
»Ich schaffe es auch jetzt. Aber irgendetwas macht den Fall schwieriger als andere Fälle.«
»Was? Weißt du das?«
»Das Kind, das überlebt hat.«
»Ich weiß nicht, ob ich weiter darüber reden will«, sagte sie.
»Dann machen wir hier einen Punkt«, sagte er.
»Ja, bitte. Jedenfalls für heute Abend.«
»Ich nehme einen Flieger übers Wochenende«, sagte er.
»Versprich nicht zu viel, Erik.«
»In Marbella kann ich auch nachdenken.«
»Willst du hier nachdenken?«
»Ha, ha«, sagte er.
»Ich habe einen Witz gemacht«, sagte sie.
»Und ich habe gelacht«, sagte er.
Das Brausen in seinen Ohren ließ nicht nach, er wollte nicht aufstehen, wollte keine Tablette nehmen, ihn fror. Er stand trotzdem auf, pinkelte, wusch sich die Hände, trank ein Glas Wasser in der Küche, schaute aus dem Fenster in den Hinterhof, alle Fenster schwarz, niemand wach, er war allein.
Ich kann versuchen, weiter nachzudenken. Er setzte sich im Wohnzimmer in einen Sessel, stand aber gleich wieder auf und ging zur Stereoanlage, drückte auf A Love Supreme und setzte sich wieder.
Sie hat dem Mörder die Tür geöffnet. Sandra hat ihm geöffnet. Warum? Kannte sie ihn? Oder war es jemand, den sie nicht kannte … aber sie hat sich trotzdem nicht bedroht gefühlt?
Jemand in Uniform?
Eine … offizielle Person?
Ein Nachbar?
Trotzdem sicher?
Es ist jetzt , es ist hier . Es wird sich nicht wiederholen. Es sind diese Tage. Die Nächte. Er schaltete die Stehlampe an und griff nach dem Buch, das auf dem Sofatisch lag. Heute Abend begann es. Er würde A Love Supreme hören und dabei Ashley Kahns Buch über die Entstehung von Meisterwerken lesen. Musik hatte ihm schon früher geholfen. Coltranes Meditations hatten ihn durch das Entsetzen bei einem anderen Fall begleitet, oder er hatte die Musik begleitet. Jetzt füllte Coltranes Stimme das Zimmer, a love supreme, a love supreme, a love supreme , es war kein Gesang, es war eine Mitteilung, etwas, das nur er, John Coltrane, wusste, aber das stimmte auch nicht:
Als A Love Supreme herauskam, schlug Coltrane bei vielen Hörern einen so starken geistigen Akkord an, dass die Menschen begannen, ihn für übermenschlich zu halten. Ich finde das ungerecht und falsch. Er war genauso menschlich wie du und ich – aber er war bereit, mehr zu üben, alles zu tun, was man tun muss, um der Beste in seiner Kunst zu werden. Der wahre Wert dessen, was Coltrane geschaffen hat, besteht darin, dass er es als Mensch erreicht hat.
Er war ein Mensch wie du und ich. Winter legte das
Weitere Kostenlose Bücher