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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gefasst, aber selbst diejenigen, die sie nicht kannten, konnten ihr bei näherem Hinsehen anmerken, welche Anstrengung sie das kostete. Sie stand stocksteif und mit hochgezogenen Schultern da. Ihre weinrote Wolljacke verlieh ihrer Haut einen Hauch von Farbe, doch um Augen und Mund herum war sie bleich.
    Monk sah, wie Runcorn sich vorbeugte, den Blick gebannt auf Melisande gerichtet. Er fragte sich, ob Melisande wusste, welch tiefe Gefühle Runcorn empfand und wie ungewöhnlich das bei einem Mann wie ihm war. Falls sie es erfuhr, würde es sie freuen, ängstigen, oder würde sie dieses riesige Kompliment liebevoll annehmen und auch die Verwundbarkeit würdigen, die dahintersteckte?
    Rathbone trat in die Mitte des Podiums.
    Die Geschworenen saßen so reglos da, als hätte man sie gegen Elfenbeinfiguren ausgetauscht.
    »Mrs. Ewart«, begann Rathbone, »ich glaube, Superintendent Runcorn von der Metropolitan Police hat Sie soeben zur Identifizierung der Leiche des Mannes gebeten, den Mr. Monk nach dem Einsturz beim Bau des Kanals nach oben geschafft hat. Ist das zutreffend?«
    »Ja.« Ihre Stimme war deutlich, aber sehr leise.
    Im Gerichtssaal erhob sich teilnahmsvolles Gemurmel. Einige Geschworene nickten, und ihre Züge wurden weicher.
    Monk sah zu Sixsmith auf. Sein Gesicht verriet keine Regung, auch wenn der Mann aufgewühlt sein musste.
    »Haben Sie ihn vorher schon einmal gesehen?«, fuhr Rathbone fort.
    »Ja«, antwortete sie mit brüchiger Stimme, »ich habe ihn aus der Remise kommen sehen, die von dem Haus, in dem ich gegenwärtig lebe, mitbenutzt wird und in der auch Mr. James Havilland einen Stall und Abstellplatz hatte.«
    »Wann haben Sie diesen Mann gesehen?«
    »In der Nacht von Mr. Havillands Tod.«
    »Und zu irgendwelchen anderen Zeitpunkten?«
    »Nein. Nie.«
    »Sie haben ihn bis heute nur ein einziges Mal gesehen, und Sie sind sicher, dass es derselbe Mann ist?«
    »Ja«, sagte sie, ohne im Geringsten zu zögern.
    Rathbone konnte es sich nicht leisten, diese Gelegenheit verstreichen zu lassen. »Wie kommt es, dass Sie sich so sicher sind?«, fragte er.
    »Wegen seines Gesichts im Allgemeinen, aber insbesondere wegen seiner Zähne.« Sie war jetzt noch bleicher als am Anfang und klammerte sich an das Geländer, als müsse sie sich abstützen. »Superintendent Runcorn hat die Lippen des Mannes nach oben geschoben, sodass ich seine Zähne sehen konnte. Ich bin mir so sicher, dass ich bereit wäre, unter Eid zu schwören, dass es derselbe Mann ist.«
    Runcorn lehnte sich mit einem tiefen Seufzer zurück.
    »Danke, Mrs. Ewart«, sagte Rathbone liebenswürdig. »Ich habe keine weiteren Fragen an Sie. Es war sehr freundlich von Ihnen, dass Sie Ihre Zeit opferten und Ihren ganzen Mut aufbrachten, um sich noch einmal mit etwas auseinanderzusetzen, was für Sie extrem unangenehm gewesen sein muss.«
    Dobie stand auf und musterte erst Melisande, dann die Geschworenen. Schließlich strich er seinen Talar an den Schultern glatt und setzte sich wieder.
    Jetzt spielte Rathbone seine letzte Karte aus. Er hatte keine andere Wahl. Er musste sich als jemand präsentieren, der wusste, was er wollte. Er rief Jenny Argyll auf.
    Sie trug tiefe Trauer und sah selbst aus wie eine wandelnde Leiche. Ihre Bewegungen waren eckig. Sie starrte geradeaus und wirkte so zerbrechlich, dass man fürchten musste, sie würde mitten auf den Stufen zum Zeugenstand den Halt verlieren und zu Boden stürzen. Der Gerichtsdiener beobachtete sie besorgt. Selbst Sixsmith beugte sich weit vor. Sein bisher regungsloses Gesicht verriet Angst. Die Aufseher neben ihm zogen ihn zurück, aber erst nachdem Jenny ihn angesehen hatte. Ihre Augen schienen plötzlich zu glühen, und mehr denn je hatte es den Anschein, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
    Da Argyll erst später aussagen würde, saß er noch nicht im Saal. Ahnte er schon, dass sich das Netz um ihn zuzog?
    Rathbone sprach behutsam mit Jenny und entlockte ihr nach und nach die so dringend benötigte Aussage, deren Ausbleiben ihn noch vor wenigen Tagen schier in die Verzweiflung getrieben hatte.
    »Sie haben den Brief geschrieben, mit dem Sie Ihren Vater gebeten haben, um Mitternacht in die Stallungen zu gehen und dort jemanden zu treffen?«, fragte er.
    »Ja.« Ihre Stimme war kaum hörbar.
    »Wen sollte er treffen?«
    Sie war aschfahl. »Meinen Mann.«
    Ein Stöhnen ging durch den Saal.
    »Warum im Stall?«, fragte Rathbone nach. »Es war eine Novembernacht. Warum nicht im Haus, wo es

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