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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Aston Sixsmith. Damit war Rathbones gewagter Trick endgültig kein Glücksspiel mehr.
    Schon während Sixsmith den Zeugenstand betrat, konnte jeder spüren, was für eine Intelligenz und geradezu animalische Kraft dieser Mann ausstrahlte. Im Saal erhob sich ein mitfühlendes Raunen. Sogar die Geschworenen lächelten ihn an. Sixsmith ignorierte sie alle. Noch war er nicht in der Lage zu zeigen, dass ihm nur allzu klar war, wie nahe er dem Gefängnis, wenn nicht dem Strick gewesen war. Einen flüchtigen Augenblick lang bekamen seine Züge etwas Weiches, das gleich wieder verschwand, bevor es von allen bemerkt werden konnte. Ein Sinn für Anstand? Sein Blick streifte Alan Argyll nur flüchtig. Sein früherer Arbeitgeber war erledigt, wertlos. Von der Galerie aus beobachtete Monk ihn mit zunehmender Ungläubigkeit.
    Rathbone hatte gewonnen. Monk sah zu Margaret Ballinger hinüber. Ihr Gesicht verriet Aufregung und Stolz auf Rathbone und dessen außerordentliches Verdienst um die Gerechtigkeit.
    Dobie sprach mit Sixsmith. Es ging nur noch darum, den Sieg einzufahren. »Hatten Sie diesen Mörder jemals vor der Nacht getroffen, in der Sie ihn mit Mr. Argylls Geld auszahlten?«
    »Nein, Sir, nie«, antwortete Sixsmith ruhig.
    »Und danach?«
    »Nein, Sir.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wer ihn erschossen hat, oder warum?«
    »Ich weiß nicht mehr als Sie, Sir.«
    »Warum haben Sie ihm das Geld gegeben? Zu welchem Zweck? Sollte James Havilland getötet werden, weil er Ärger und möglicherweise teure Verzögerungen verursachte?«
    »Nein, Sir. Mr. Argyll hatte mir gesagt, es ginge darum zu verhindern, dass die Tosher und die Kehrmänner die Arbeiten behindern.«
    »Und wie verhielt es sich mit Mr. Havilland?«
    »Wie ich das verstand, wollte Mr. Argyll das mit ihm persönlich regeln.«
    »Wie?«
    Sixsmith sah ihm eindringlich in die Augen. »Ihn davon überzeugen, dass er sich täuschte. Mr. Havilland war sein Schwiegervater, und wie ich das sah, hatten sie ein herzliches Verhältnis.«
    »Könnte es sein, dass dieser Mann, dieser Mörder, Sie missverstanden hat?«
    Sixsmith starrte ihn an. »Nein, Sir. Meine Anweisungen waren völlig klar.«
    Dobie konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Situation auszuschlachten. Er ließ den Blick über die Geschworenen und das Publikum schweifen, ehe er sich wieder an Sixsmith wandte. »Beschreiben Sie uns bitte die Szene. Geben Sie dem Gericht eine genaue Vorstellung davon, wie es war.«
    Sixsmith gehorchte. Er sprach langsam und vorsichtig, wie jemand, der aus einem Albtraum ins Licht der Vernunft zurückkehrt. Er beschrieb das Wirtshaus mit seinem Lärm, dem Biergeruch, dem Stroh auf dem Boden, dem Gedränge.
    »Er ist gegen zehn Uhr gekommen; genauer kann ich es Ihnen leider nicht sagen«, antwortete er auf Dobies Nachfragen. »Ich habe ihn auf Anhieb erkannt. Er war ziemlich dünn, vor allem das Gesicht. Seine Haare waren schwarz und glatt. Und lang: Sie hingen ihm weit über den Kragen. Die Nase war oben sehr schmal. Aber das Auffälligste an ihm waren diese Zähne. Ich habe sie gesehen, als er grinste. Er hat sich einen Krug Bier gekauft und ist damit direkt auf mich zugekommen, als ob er mich kennen würde. Jemand muss mich ihm ziemlich gut beschrieben haben. Der Mann hat sich mir nicht vorgestellt, aber er hat Argylls Namen benutzt, damit ich weiß, wer er ist. Wir haben uns über das Problem mit den Toshern unterhalten, und ich habe ihm noch ein bisschen mehr dazu erklärt. Dann habe ich ihm das Geld gegeben. Er hat es angenommen, zusammengefaltet und eingesteckt und ist aufgestanden. Ich erinnere mich, wie er seinen Krug mit einem gewaltigen Schluck geleert hat. Dann ist er gegangen, ohne sich noch mal umzudrehen.«
    Dobie dankte ihm und überließ es Rathbone, die Aussage anzuzweifeln, wenn er das wollte.
    Doch Rathbone räumte umgehend und sehr würdevoll seine Niederlage ein. Nicht mit dem geringsten Wimpernzucken gab er zu erkennen, dass dieses Scheitern im Grunde den elegantesten und womöglich schwierigsten Sieg seiner ganzen Karriere darstellte.
    Die Geschworenen befanden Sixsmith der versuchten Bestechung für schuldig, und der Richter verhängte eine Strafe, die sich auf nicht mehr als einen Wochenlohn belief.
    Kaum war der Hammer aufs Richterpult niedergesaust, brachen die Leute im Gerichtssaal in Jubelrufe aus, und alle erhoben sich. Die Geschworenen wirkten ungemein erleichtert, als sie einander die Hand reichten und sich gegenseitig beglückwünschten.
    Margaret

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