Das dunkle Labyrinth: Roman
keinem was!«
»Wusste Sixsmith das?«, fragte Monk, der sich zum ersten Mal in das Gespräch einschaltete.
»Aber klar doch!«, rief der Vater mit angewiderter Miene. »Er is’n gerissener Lump.«
»Aber nicht gerissen genug, um einen Einsturz zu vermeiden«, bemerkte Monk.
»Und ob er das war!«, beharrte der Vater. »Er kannte die Bäche, Quellen und die Lehmböden so gut wie jeder von uns. Er hat sich bloß’nen Dreck drum gekümmert.«
Sie befragten andere Tosher und Auskehrer und gingen dann noch einmal zu den Navvys zurück. Doch nichts von dem, was sie von ihnen erfuhren, widersprach der Annahme, dass alles normal gewesen war und es bis auf den einen oder anderen Streit keinen besonderen Ärger gegeben hatte. Kurz, niemand hatte Sabotage begangen, und zu Unfällen war es vergleichsweise selten gekommen, wenn man bedachte, wie schwer und gefährlich die Arbeit war.
Eines fiel Monk auf, und er versäumte nicht, das den anderen bei ihrer nächsten Lagebesprechung mitzuteilen: Jeder Einzelne betrachtete Sixsmith als einen extrem intelligenten und fähigen Mann, der sich bei allem, was er tat, der Risiken und Vorteile genau bewusst war.
»Er wusste also über die Bäche und Quellen Bescheid?«, stieß Rathbone erbittert hervor. Er wirkte mitgenommen. Allein schon das unaufhörliche Beben seiner Nasenflügel verriet, wie sehr er darunter litt, dass es einfach keine Möglichkeit gab, sich dem grässlichen Gestank zu entziehen. Dazu waren seine Kleider mit Schlamm und Lehm bespritzt und seine Stiefel durchnässt. Die Hose war sogar am Gesäß durchweicht.
»Ja«, bestätigte Monk, dem längst klar war, wie ihr Schluss zwangsläufig lauten musste. »Wie es aussieht, war ihm der Einsturz völlig egal.«
»Oder er wollte ihn sogar!«, ergänzte Rathbone. »Aber warum? Was ist es, was uns da entgeht, Monk? Warum können wir uns keinen Reim darauf machen?« Er wandte sich hilfesuchend an Runcorn und Orme.
»Er kannte den Mörder«, zischte Orme. »Ich hab zwar keinen Zeugen, den Sie vorladen könnten, aber hier gibt’s garantiert welche. Er kannte alles und jeden, dieser Sixsmith.«
»Sprechen Sie nicht in der Vergangenheit von ihm.« Runcorn sah von einem zum anderen. »Er ist immer noch sehr gegenwärtig! Wir müssen uns beeilen, sonst schüttet er seine Spuren zu – oder uns!«
Keiner widersprach. Kurz erörterten sie ihre nächsten Schritte, dann marschierten sie erneut los, frierend, müde, doch voller Entschlossenheit.
Hester schlief schlecht, nachdem Monk gegangen war. Die Nachricht von ihrem Scheitern war mitten in ihr Hochgefühl über einen ihrer vermeintlich süßesten Siege geplatzt. Benommen hatte sie in ihrem Schock den Tisch abgeräumt und die Küche geputzt. Danach war sie zu Scuff hochgegangen, um bei ihm nach dem Rechten zu sehen. Normalerweise wäre sie noch aufgeblieben, aber da sie wusste, dass er nicht einschlafen würde, wenn nicht auch sie zu Bett ging, hatte sie sich neben ihn gelegt.
Jetzt war es bald fünf Uhr. Sie lag da und grübelte darüber, wie sie sich nur so tragisch hatten täuschen können.
»Sie schlafen doch nich’, oder«, flüsterte Scuff neben ihr. Es war keine Frage. Er musste es an ihrem Atmen gehört haben.
»Nein«, antwortete sie, »aber warum bist du schon wach?«
»Weil ich nich’ schlafen kann.« Er kroch ein Stück näher an sie heran. »Wird Mr. Monk das hinkriegen?«
Sollte sie lügen, um ihn zu beruhigen? Wenn er das durchschaute, wäre das brüchige Vertrauen, das er langsam zu ihr aufbaute, zerstört und würde sich vielleicht nie wiederherstellen lassen. War die Wahrheit, egal wie brutal sie sein mochte, dann nicht besser als die Einsamkeit nach einem Vertrauensverlust? Wäre er ein Mann, würde sie ihn ohne zu zögern aufklären. Und war ein Kind vielleicht anders? Sollte sie ihn schonen? Und wovor?
»Wird er’s schaffen?«, drängte Scuff.
Er berührte sie nicht, und doch wusste sie, dass sein Körper ganz starr war. »Er wird es versuchen. Niemand kann ständig gewinnen. Und das ist vielleicht einer von den Fehlern, die wir nicht korrigieren können. Ich weiß es nicht.«
»Mr. Havilland hatte mit den Maschinen Recht, oder?«
»Leider, ja«, seufzte sie, »zumindest teilweise. Er hatte auch Recht mit seiner Warnung davor, zu schnell vorzugehen, ohne nachzuprüfen, wie genau die Bäche verlaufen.«
»Mr. Sixsmith war der Chef dort unten. Da müsste Mr. Havilland doch mit ihm geredet haben«, flüsterte der Junge.
»Bestimmt«,
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