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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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fragte Monk. »Zorn?«
    Cardman legte die Stirn in Falten. »So deutlich hätte ich es nicht ausgedrückt, Sir. Es war eher so, als ob ihn ein alter Freund enttäuscht hätte oder er eine mühselige Aufgabe zum zweiten Mal erledigen müsste, die er eigentlich schon für gelöst gehalten hatte. Ich hatte das Gefühl, dass es ein bekanntes Problem war, kein neues. Jedenfalls wirkte er nicht ängstlich … oder verzweifelt.«
    »Es war also am nächsten Morgen ein schlimmer Schock für Sie?«
    »Ja, Sir. Schrecklich.«
    »Und Miss Mary?«
    Cardmans Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an, und in seinen Augen glänzten die Tränen, die er sich in seiner Stellung nicht leisten konnte. »Ich habe noch nie jemanden so entsetzlich leiden sehen. Mrs. Kitching, die Haushälterin, bekam sogar Angst, Miss Mary könnte selbst sterben, so sehr verzehrte sie sich in ihrem Kummer. Sie weigerte sich zu glauben, dass er das selbst getan haben könnte.«
    »Was war ihrer Meinung nach geschehen?« Monk gestattete sich weder einen Gedanken an Mary Havillands Gesicht noch Erinnerungen an Hester und ihren Schmerz, dem sie sich noch nicht wirklich stellen konnte, weil sie sonst wieder in Schuldgefühle versinken würde, dass sie auf der Krim und nicht zu Hause gewesen war, um seine Tat irgendwie zu verhindern oder wenigstens ihre Mutter vor der Scham und Einsamkeit zu retten. Die arme Frau hatte die Schande angesichts der Schulden und des Selbstmords einfach nicht ertragen.
    Was, in Gottes Namen, hatte Havilland nur dazu getrieben, seiner Tochter das anzutun? Zumindest bei Hesters Vater war es der einzige Weg gewesen, der Schmach zu begegnen. Er war betrogen worden wie so viele andere. Ihm erschien der Tod als die einzige Möglichkeit, die ihm als Ehrenmann noch blieb. Was war es, das Havilland gefürchtet oder woran er verzweifelt war, um eine solche Tat zu begehen?
    »Warum fand sie es so schwer, das zu glauben?«, fragte Monk in schärferem Ton, als er beabsichtigt hatte.
    Cardman zuckte aus Überraschung über die Gefühle in Monks Stimme zusammen. »Es gab keinen Grund«, antwortete er. »Deshalb glaubte Miss Mary ja, dass er ermordet worden war. Von Tag zu Tag festigte sich ihre Überzeugung, dass er entweder etwas bei den Tunnelgrabungen gefunden hatte oder kurz vor einer Entdeckung stand und deswegen ermordet worden war.«
    »Was bestärkte sie in ihrer Überzeugung?«, fragte Monk eilig. »War etwas geschehen, oder war es einfach das Bedürfnis, ihren Vater vom Selbstmord freizusprechen?«
    »Sir, wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen.« Cardman sah Monk unverwandt in die Augen. Seine Miene verriet einen Abgrund von Verzweiflung, der so tief war, dass er sich an jeden seidenen Faden klammern würde, böte er nur Hoffnung. »Miss Mary hat Tag und Nacht über den Dokumenten ihres Vaters gebrütet und sie alle gelesen. Immer wieder hat sie sie durchforstet. Oft genug habe ich sie in seinem Büro angetroffen, entweder über seinen Schreibtisch gebeugt oder mit einem offenen Buch auf dem Schoß, in seinem großen Sessel schlafend.«
    »Was für ein Buch?« Monk wusste nicht, wonach er suchte, aber Cardmans Unglück berührte ihn.
    »Ingenieurswesen«, sagte Cardman mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte Monk Bescheid wissen müssen.
    Der Polizist sah ihn verwirrt an. »Ingenieurswesen?«
    »Ja. Mr. Havilland war bis zu seinem Tod leitender Ingenieur und Vermesser in Mr. Argylls Unternehmen. Das war ja der Grund für ihren Streit. In Mr. Argylls Unternehmen hatte es nie einen größeren Unfall gegeben. Es ist sogar so, dass es hinsichtlich Sicherheit einen besseren Ruf hat als die meisten anderen Firmen. Aber Mr. Havilland glaubte, dass ein Unfall bevorstand.«
    »Und das sagte er Mr. Argyll?«
    Cardman schlug ein Bein über das andere. »Ja, natürlich. Aber Mr. Argyll meinte, das liege nur daran, dass er sich unter der Erde nicht so wohl fühle, eingeschlossen sozusagen, und es ihm zu peinlich sei, das zuzugeben. Argyll ging sogar so weit, dass er ihn einen Feigling nannte, wenn auch mit höflichen Umschreibungen. Das Wort selbst nahm er natürlich nie in den Mund.«
    »War das auch das, was Miss Havilland tat? Den Bau der Tunnel zu prüfen?«
    »Ja, Sir. Dessen bin ich mir absolut sicher.«
    »Aber sie fand ebenfalls nichts?«
    Cardman machte ein bekümmertes Gesicht. »Nein, Sir. Nicht, soweit ich das beurteilen kann.«
    »Traf sie sich weiterhin mit Mr. Toby Argyll?«
    »Sie löste ihre Verlobung, aber

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