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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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trug das Haus die traditionellen Insignien der Trauer. Die Spiegel waren verhangen, die Uhren angehalten, die Lilien in den Vasen verströmten einen leicht modrigen Geruch. Allein schon der Umstand, dass Frühlingsblumen im Januar unpassend wirkten, war ein Hinweis darauf, dass das Familienleben hier erloschen war.
    Der Butler kam zu Monk in das ungemütliche Frühstückszimmer. Da kein Kaminfeuer brannte, war es frostig in dem Raum. Genauso kalt war der Widerschein des unter den halb zugezogenen Vorhängen hereinsickernden Tageslichts in den Glasscheiben der Bücherregale, die das Licht ebenso schluckten wie Eis auf einem tiefen Teich.
    Cardman, der Butler, war ein großer, hagerer Mann mit dichtem stahlgrauem Haar und einem knochigen Gesicht, das in seiner Jugend ansehnlich gewesen sein mochte, jetzt aber um Nase und Wangen herum eingefallen wirkte. Seine hellblauen Augen verrieten Intelligenz, und im Gegensatz zu dem jungen Pagen hatte er seine Gefühle unter Kontrolle und ließ sich kaum etwas anmerken.
    »Ja, Sir?«, fragte er, während er die Tür schloss. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Monk bekundete zuallererst seine Anteilnahme. Das erschien ihm auch einem Butler gegenüber angemessen und völlig natürlich.
    »Danke, Sir«, nahm Cardman die Kondolenz an. Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders.
    »Wir sind uns nicht sicher, was genau geschehen ist«, begann Monk. »Aus einer ganzen Reihe von Gründen müssen wir noch sehr viel mehr in Erfahrung bringen.«
    Ein Ausdruck von Schmerz überschattete kurz Cardmans regungsloses Gesicht. »Mr. Argyll hat uns gesagt, dass Miss Havilland sich das Leben genommen hat. Ist es da wirklich nötig, noch tiefer im Unglück der Hinterbliebenen zu wühlen?«
    Sein Taktgefühl war bewundernswert, doch hier handelte es sich um eine laufende Untersuchung, die entweder Schuld oder Unschuld nachweisen konnte – und das war selbst für die Toten von Bedeutung. Monk konnte es sich nicht leisten, irgendetwas ungeprüft zu lassen oder seine Nachforschungen auf eine schonendere Weise zu betreiben, wenn dabei etwas unter den Tisch fiel.
    »Sie wussten, dass sie unglücklich war?«, fragte er so sanft er konnte.
    »Mr. Havilland ist vor weniger als zwei Monaten gestorben«, entgegnete Cardman steif. »Kummer heilt nicht so schnell.«
    Das war eine den Umständen entsprechende, absolut korrekte Antwort, die nichts preisgab und nicht mehr Missbilligung ausdrückte, als es sich für einen Butler ziemte.
    Gleichwohl zeigte sich Monk brutal. »Lebt Ihr Vater noch, Mr. Cardman?«
    Cardmans Züge gefroren. In seinen Augen flammte Zorn auf. »Nein, Sir.«
    Monk lächelte. »Ich bin sicher, dass Sie um ihn getrauert haben, aber Sie sind nicht daran verzweifelt.« Er dachte kurz daran, dass bei seinem Gedächtnisverlust nach dem Unfall jede Erinnerung an seinen eigenen Vater und auch an seine Mutter getilgt worden war. Seine Schwester Beth kannte er, aber nur deshalb, weil sie sich darum bemüht hatte, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Er selbst schrieb ihr selten. Plötzlich befiel ihn Scham wegen dieses Verhaltens, und er merkte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Nein, Sir«, sagte Cardman steif.
    Monk setzte sich in einen der großen Ledersessel und schlug die Beine übereinander. »Mr. Cardman, ich beabsichtige herauszufinden, ob es sich um Selbstmord oder etwas anderes handelt«, sagte er ruhig. »Ich habe Todesfälle der verschiedensten Arten untersucht und gebe nicht auf, solange ich nicht gefunden habe, was ich suche. Sie werden mich dabei unterstützen, ob Sie wollen oder nicht. Sie können stehen bleiben, wenn Sie möchten, aber es wäre mir lieber, Sie würden sich setzen. Ich schaue nicht gern zu Ihnen auf.«
    Cardman gehorchte. Monk fiel etwas Steifes an seinen Bewegungen auf, als wäre Cardman es nicht gewohnt, in der Gegenwart eines Gastes zu sitzen, schon gar nicht in diesem Raum. Vermutlich war er sein Leben lang Bediensteter gewesen und hatte vielleicht bereits vor vierzig Jahren oder noch früher als Hausbursche angefangen. Womöglich hatte er aber auch eine Zeit lang in der Armee gedient. Jedenfalls war sein Rücken kerzengerade durchgestreckt, und er strahlte etwas Würdevolles und Selbstdisziplin aus.
    »Waren Sie überrascht?«, fragte Monk unvermittelt.
    Cardmans Augen weiteten sich. »Überrascht?«
    »Dass Miss Havilland sich von der Waterloo Bridge gestürzt haben soll.«
    »Allerdings, Sir. Das waren wir alle.«
    »Wie

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