Das dunkle Labyrinth: Roman
Gebrüdern Argyll liiert waren«, bemerkte Monk.
»Allerdings, Sir. Es gab einiges böses Blut. Leider schlugen die Emotionen bisweilen sehr hoch. Miss Mary stellte sich an die Seite ihres Vaters, und das führte zu einer Belastung ihrer Beziehung mit Mr. Toby Argyll.«
»Und da löste sie die Verlobung?«
»Nein, Sir, da noch nicht.« Es bereitete Cardman sichtlich Schwierigkeiten, darüber zu sprechen, doch Monk spürte, wie sehr dieser Mann unter Druck stand. Er musste an einen Damm bei Hochwasser denken, der dringend eine Entlassung benötigte, bevor die Fluten sämtliche Mauern durchbrachen.
»Mr. Havilland war äußerst besorgt«, half Monk. »Sie müssen ihn häufig gesehen haben, um nicht zu sagen täglich. Kam er Ihnen vor wie jemand, der kurz davor ist, die Herrschaft über sich selbst zu verlieren?«
»Nein, Sir, nicht im Geringsten!«, rief Cardman heftig, und jäh belebten unverhüllte Emotionen sein hageres Gesicht. »Er war keiner, der zu so etwas wie Verzweiflung neigte! Im Gegenteil, er war eher euphorisch! Er glaubte, er sei drauf und dran, einen Beweis für das zu finden, was er befürchtete. Es hatte keinen Unfall gegeben, verstehen Sie, aber er war sich sicher, dass einer bevorstand. Eine schreckliche Katastrophe mit Hunderten von Todesopfern, und die wollte er unbedingt verhindern!« Eine Bewunderung leuchtete in seinen Augen auf, die tiefer war, als die berufsbedingte Loyalität. Er hatte an Havilland geglaubt, so wie ein Mensch an einen anderen glaubt, der es vermag, ihn mit seinem Enthusiasmus für ein Anliegen anzustecken.
»Sind Sie schon immer Bediensteter gewesen, Cardman?«, fragte Monk, einem Impuls folgend.
»Wie bitte?«, fragte der Butler verblüfft.
Monk wiederholte seine Frage.
»Nein, Sir. Zwischendurch habe ich sechs Jahre in der Armee gedient. Ich verstehe nur nicht, was das mit Mr. Havillands Tod zu tun haben soll.«
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass Sie beurteilen können, wann jemand unter besonderem Druck steht.«
»Oh, ich verstehe«, sagte Cardman verlegen angesichts des offensichtlichen Kompliments. Sein Gesicht rötete sich leicht, und er sah weg.
»Hat es Sie überrascht, dass Mr. Havilland sich das Leben genommen hat?«, fragte Monk.
»Ja, Sir. Mir fiel es offen gesagt schwer, daran zu glauben, zumal …« Einen Moment lang kämpfte Cardman um seine Selbstbeherrschung. Es saß stocksteif da, die Knöchel seiner Finger wurden weiß. »Zumal in seinem eigenen Haus, wo Miss Mary ihn zwangsläufig entdecken würde. Man kann Dinge auch nach einem Unfall aussehen lassen.« Er atmete langsam ein und aus. »Es hat ihr das Herz gebrochen. Danach war sie nicht mehr dieselbe.« Jetzt verrieten seine Züge Zorn. Ein Mann, den er bewunderte, hatte ihn unerklärlicherweise im Stich gelassen – mehr noch, er hatte sie alle im Stich gelassen, insbesondere die Tochter, die ihm ebenfalls vertraut hatte.
»Aber Sie haben es dennoch geglaubt?«, fragte Monk. Er hatte das Gefühl, einen Menschen zu operieren, der bei vollem Bewusstsein war und jede Bewegung des Skalpells spürte.
»Ich hatte keine Wahl«, sagte Cardman leise. »Der Stallbursche fand ihn am Morgen bei den Pferden mit durchschossenem Kopf und einer Pistole neben der Hand. Die Polizei hat bewiesen, dass er die Waffe erst wenige Tage davor bei einem Pfandleiher gekauft hatte.« Der Butler verstummte. Er hätte noch sehr viel mehr sagen können – das verrieten seine Augen -, doch seine ein Leben lang geübte Diskretion ließ das nicht zu.
»Hat er sich dazu geäußert, warum er eine Pistole gekauft hat?«
Cardmans Züge verhärteten sich. »Nein, Sir.«
»Hinterließ er eine Erklärung, warum er so etwas tun wollte?«
»Nein, Sir.«
»Und er sagte nie etwas zu Ihnen oder einem der anderen Bediensteten?«
»Nein, Sir. Nur, dass er in dieser Nacht wach bleiben und warten wollte und wir getrost wie üblich zu Bett gehen könnten.«
»Und an seinem Verhalten fiel Ihnen nichts Ungewöhnliches auf? Auch nicht danach, im Lichte der Ereignisse?«
»Ich habe selbstverständlich darüber gegrübelt, ob es irgendetwas gab, das ich hätte bemerken müssen«, gab Cardman zu, und wieder stieg eine leichte Röte in sein blasses Gesicht. Er musste in den letzten Monaten einen wahren Albtraum durchlebt haben. »Er wirkte besorgt, als rechnete er damit, dass etwas geschehen würde, aber so wahr ich hier vor Ihnen sitze, damals dachte ich, es wäre nur eine Irritation, nicht Verzweif lung.«
»Eine Irritation?«,
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