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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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war sie denn? Nachgiebig oder stur? Intelligent oder eher nicht?« Monk war fest entschlossen, dem Mann eine Antwort zu entlocken, die etwas bedeutete, statt der belanglosen Floskeln, wie sie ein Bediensteter seinen Herrschaften gegenüber von sich gab. »War sie hübsch? Flirtete sie? War sie in Mr. Argyll verliebt, oder zog sie am Ende jemand anderen vor? Hätte sie sich in einer Ehe mit ihm womöglich gefangen gefühlt?«
    »Gefangen?«
    »Also bitte!«, rief Monk. »Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass nicht alle junge Frauen aus Liebe heiraten! Sie heiraten standesgemäß, oder weil es sich so ergibt.« Er wusste das von Hester und dank einiger seiner privaten Fälle. Der Druck, der manchmal auf die Frauen ausgeübt wurde, und die ständige Erniedrigung, die das für sie bedeutete, hatten in seinem eigenen Leben nie eine Rolle gespielt, andererseits hatte er sehr wohl gesehen, wie es auf dem Hochzeitsmarkt ablief, wenn junge Frauen wie Zuchtvieh auf dem Fleischmarkt an den Interessenten vorbeidefilierten.
    Cardman war anzusehen, dass er mit sich kämpfte. Er verstand Monk sehr wohl, und doch war ihm die Situation zutiefst peinlich. Am Ende waren es wohl die Trauer und das Wissen, dass er jetzt keine Dienstherrin mehr hatte, die seinen Widerstand brachen.
    »Ja, Sir«, gab er zögernd zu, »ich glaube, dass Miss Havilland eher das Gefühl hatte, sie würde von den abgegebenen Angeboten das bestmögliche annehmen, und es wäre deswegen richtig, Mr. Toby zu erhören.«
    »Und nach dem Tod ihres Vaters hat sie die Vereinbarung gelöst?« Obwohl Monk mit einer solchen Antwort fast schon gerechnet hatte, bestürzte sie ihn dennoch. Die junge Frau mit dem leidenschaftlichen Gesicht, die er aus dem Fluss gezogen hatte, hatte bestimmt etwas Besseres verdient und hatte sich mehr als viele andere danach gesehnt.
    »Ja, Sir.« Cardmans Stimme fiel zu einem heiseren Murmeln ab, das einmal mehr seine tiefen Gefühle verriet. »Sie litt sehr darunter. Wie wir alle.«
    »Was genau ist passiert?«
    Wieder zögerte Cardman, doch er wusste bereits, dass Monk kein Erbarmen zeigen würde, bis er es ihm gesagt hatte. Und vielleicht wollte er die Verwirrung und den Schmerz wenigstens einem Menschen anvertrauen, vor dem er seine Würde nicht zu wahren brauchte, vor dem er nicht ständig so tun musste, als wäre er Herr absolut jeder Situation. Dennoch war und blieb er der Verantwortliche in einer engmaschig gestrickten, hierarchischen Gemeinschaft mit den strengsten Vorschriften, die man sich nur vorstellen konnte.
    Er räusperte sich. »Mr. Havilland war ein Gentleman im alten Sinne des Wortes, Sir. Dabei besaß er keine Titel oder großen Reichtümer. Bei ihm war das eine Frage der Ehre. Er war zu jedem Menschen anständig und trug niemandem etwas nach. Wenn jemand ihm Unrecht tat und sich dafür entschuldigte, war die Angelegenheit für Mr. Havilland erledigt. Er war ein guter Freund, aber er stellte Freundschaft nie über das, was er für richtig hielt. Und einen armen Mann achtete er nicht minder als einen reichen, wenn dieser zu seinem Wort stand.«
    Monk hatte schon gemerkt, dass Cardman ihn daraufhin beobachtete, ob er begriff, was er zwischen den Zeilen sagte.
    »Ich verstehe«, brummte Monk. »Ein bewundernswerter Mann, aber keiner, der in der Gesellschaft oder in geschäftlichen Belangen mit dem Strom schwamm.« An seine Tage in der Handelsbank konnte er sich nicht mehr erinnern – die waren ausgelöscht wie der Rest seines Gedächtnisses -, aber Stück für Stück hatte er von den finanziellen Folgen und der Unehrenhaftigkeit einiger seiner Unternehmungen erfahren, die den Ruin geliebter Menschen bedeutet hatten.
    »Nein, Sir, leider nicht«, bestätigte Cardman. »Er hatte viele Freunde, aber wohl auch Feinde. Ihn trieb vor seinem Tod die große Sorge um, dass der Neubau der Abwasserkanäle nach Mr. Bazalgettes Plänen zu hastig durchgeführt und dass durch die Verwendung der großen Maschinen ein schlimmer Unfall verursacht würde. Seine Befürchtung ließ ihn nicht mehr los, und er verbrachte seine ganze Zeit damit, die Vorgänge zu untersuchen und zu beweisen, dass er Recht hatte.«
    »Und konnte er es beweisen?«, fragte Monk.
    »Meines Wissens nicht, Sir. Es kam zu einigen unerfreulichen Szenen mit Mr. Alan Argyll und auch mit Mr. Toby, aber Mr. Havilland ließ sich nicht beirren. Er hatte das Gefühl, die Wahrheit zu sagen.«
    »Das muss sehr schwierig für ihn gewesen sein, wenn seine Töchter mit den

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