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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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Blicke streiften die hübsche Fremde – war sie eine Konkurrenz? Wilderte sie in fremdem Revier? Und warum war sie mit einem Polizisten unterwegs?
    Schließlich bogen sie in die Milchstraße ein und fanden das Haus Nummer 3.   Der Polizeidiener wünschte ihr Glück und verabschiedete sich dann. Zita blickte an der grauen Fassade hinauf. Die meisten Fenster waren mit dunklen Lumpen verhängt. Vorsichtig klopfte sie an die Tür.
    Als sich drinnen nichts tat, klopfte sie erneut, diesmal fester. Nach dem dritten Mal öffnete eine alte Frau und starrte sie entgeistert an. «Ja?», fragte sie so laut, dass Zita sofort begriff, dass sie schwerhörig war.
    «Wohnt Hermann Demuth hier?», fragte sie.
    «Häh?»
    «Demuth. Hermann Demuth.» Zita schrie fast.
    «Ah, Herr Demuth!», rief die Alte. «Ja, der wohnt hier. Oben unterm Dach.»
    «Ist er zu Hause?»
    Die Alte nickte. «Ja, aber er schläft. Hat Nachtschicht.»
    «Bitte, ich muss ihn sprechen. Ich bin eine alte Freundin von ihm.»
    Die Alte zögerte einen Moment, aber dann sagte sie: «Komm rein, Kind. Ich werde ihn wecken.»
    Zita folgte ihr und stand direkt in einer verdreckten Küche, die noch eine Feuerstelle statt eines Herdes hatte. In einem Topf über dem Feuer brodelte etwas, das zwar nach Eintopf aussah, aber widerlich roch.
    «Da geht es rauf», sagte die Alte und schlurfte voran. Sie trug ein graues verschlissenes Winterkleid und darüber eine Strickjacke. Trotzdem schien sie zu frieren, was kein Wunder war, denn außerhalb der Küche war es im Haus eisig kalt.
    Über dem zweiten Stock ging es hinauf in die Mansarde, alles war klein und eng. Oben unter dem Dach gab es vier Türen, an die erste links klopfte die Alte. «Herr Demuth! Wachen Sie auf! Hier ist Besuch für Sie.»
    Es dauerte eine Weile, aber dann öffnete sich die Tür, und ein verschlafenes Gesicht mit verstrubbelten Haaren sah heraus. Die Alte blieb neugierig bei ihnen stehen.
    «Hermann?», fragte Zita. Sie hätte ihn fast nicht wiedererkannt, so dünn und abgearbeitet sah er aus. Kaum zu glauben, dass er in Wien der große Weiberheld gewesen war. Den«schönen Hermann» hatten sie ihn oft genannt. Ein fast zu hübsches Gesicht für einen Mann, charmante Umgangsformen, eine betörende Stimme und die Anmut eines Tänzers – jede Frau, die Zita kannte, hatte sich in ihn verguckt. Davon war wenig übrig geblieben.
    Er sah sie an, als hätte er ein Gespenst vor sich.
    «Ich bin es, Zita. Tomasz’ Frau.»
    «Ja, sicher, Zita. Wie hast du mich gefunden?» Er schien immer noch verwirrt.
    Sie zog den Brief ihres Mannes aus der Tasche. Hermann rieb sich die verschlafenen Augen, bevor er las. «Ist er tot?», fragte er, als er ihr den Brief zurückgab.
    Sie nickte.
    «Was willst du von mir?»
    «Du hast den Brief doch gelesen.»
    «Ja, schon. Aber ich kann dich nicht beschützen. Ich könnte nicht einmal mich selber beschützen. Ist der Greifer hier?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Wir haben Wien vor gut einem halben Jahr verlassen, aber der Greifer hat uns ein paar Leute hinterhergeschickt. In der Nähe von Straßburg haben sie uns erwischt und Tomasz – du kannst es dir vorstellen. Aber ich konnte fliehen. Und seitdem habe ich keinen von der Bande mehr gesehen.»
    «Das hat nichts zu sagen.» Er zog die Decke, die er übergeworfen hatte, enger um sich. «Wenn du sie auf meine Spur gebracht hast, werden wir beide sterben. Geh, sieh zu, dass du dich selbst in Sicherheit bringst.»
    «Ich   …»
    «Ich muss noch ein paar Stunden schlafen, sonst stehe ich die Schicht nicht durch. Wir reden heute Abend.»
    «Dann kann ich hierbleiben?» Zitas Herz klopfte. Wenn er sie nicht aufnahm, musste sie Ruhrort spätestens morgen verlassen.
    Die taube Alte hatte kaum etwas mitbekommen von ihrem Gespräch. «Kann sie bei Ihnen unten bleiben bis heute Abend?», schrie Hermann.
    Sie nickte. «Ich habe gern etwas Gesellschaft. Aber fürs Essen muss sie zahlen.»
    Hermann verschwand kurz im Zimmer und kam zurück mit fünf Pfennigen, die er der Alten in die Hand drückte.
    «Für heute reicht das», sagte sie. «Kommen Sie, Kind», wandte sie sich an Zita. «In der Küche ist es warm.»
     
    Am Nachmittag hatte sich bei Lina Borghoff Kundschaft im Modesalon angekündigt. Trotz der knappen Kasse hatte Antonie eine große Kanne Kaffee gekocht, und Finchen hatte einen Kuchen gebacken. Beatrice, die ältere Tochter des Barons von Sannberg, Linas gutem Freund, hatte vor einem halben Jahr Eberhard Messmer, den Stiefsohn

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