Das dunkle Netz der Lügen
Stadt.»
«In den Schmugglertunneln?»
«Ja.»
«Wir haben die meisten Eingänge zugemauert vor ein paar Jahren.» Er sah Zita scharf an. «Die Bande, sind Ruhrorter dabei?»
«Ja … ich denke schon.» Zita erinnerte sich, was Tomasz ihr immer über das Lügen erzählt hatte. Nah bei der Wahrheit bleiben und nie zu viel sagen.
«Bitte, Herr Commissar, helfen Sie mir, meine Tochter zu retten!»
«Das werde ich. Du kommst jetzt erst einmal mit und morgen …»
«Nein!», Zita schrie fast. «Sie verlassen noch heute die Stadt. Ich weiß nicht wie und wo, aber sie gehen weg, und dann finde ich meine Resi nie wieder.»
Robert dachte nach. Wenn die Gänge geöffnet worden waren, dann sicher auch die Teile, die Zugang zum Wasser hatten. So waren sie also beim letzten Mal unerkannt aus der Stadt entkommen. Wenn ihnen das noch einmal gelang, waren sie vermutlich tatsächlich über alle Berge.
«Gut. Beruhige dich. Wir gehen heute Nacht noch hinein. Komm!»
Zu Zitas Schrecken ging er zurück ins Rathaus. Dort saßen noch drei Polizeidiener, der alte Fricke, Schröder und Kramer.
Robert ließ Zita vor der Theke warten, während er sich leise mit den dreien besprach. Dann kam Robert mit Kramer und Schröder zu ihr. «Wo geht es in die Tunnel?», fragte er.
«In der Altstadt, zwischen der Kurzen Straße und der Kasteelstraße», sagte Zita.
«Da ist dieser Weingart mit Dr. Demuth verschwunden», bemerkte Kramer.
«Lasst uns gehen. Fricke wird hier die Stellung halten.» Robert schob Zita durch die Rathaustür.
Zita war nicht wohl bei der Sache, dass die beiden Polizeidiener dabei waren, aber sie konnte es nicht ändern. Es war die einzige Möglichkeit, Robert Borghoff dorthin zu bekommen, wohin Mina und Kellerer ihn haben wollten.
Schnell, aber so leise wie möglich waren sie durch die Stadt geeilt, und Zita zeigte ihnen die Nische und den Eingang in die Tunnel.
«Verdammt. Ich hatte vermutet, dass es noch einen Altstadteingang gibt, von dem wir nichts wussten», sagte Robert.
«Der war vor sechs Jahren zugemauert.» Schröder kannte sich mit den Gängen aus, er hatte damals die Bauarbeiter beaufsichtigt, die die meisten der Zugänge versiegelt hatten.
«Da kannte sich offenbar jemand gut aus. Jetzt still!» Robert kletterte die Leiter hinunter, Zita folgte ihm, dann Kramer und Schröder.
Vorsichtig tasteten sie sich voran. Robert und seine Männer hatten Bahnwärterlaternen mitgenommen, bei denen man das austretende Licht auf einen ganz schmalen Strahl reduzieren konnte. Sie durften die Diebe auf keinen Fall vorwarnen. Zita wusste, dass es eine Weile dauern würde, bis sie zu einer Abzweigung kamen, und so lange hatte die Bande noch keine Möglichkeit zum Angriff. Was sollte sie tun? Die Männer doch noch warnen? Sie war wie betäubt.
Schweigend liefen sie zwischen den engen Mauern. Zita lauschte angestrengt, immer in der Hoffnung, Resi zu hören. Aber hier unten war alles still, nur tropfendes Wasser oder das Kratzen fliehender Ratten. Als sie den Untergrund der Altstadt verlassen hatten, wurden die Gänge ein wenig trockener. Sie näherten sich dem ersten Abzweig. Zita krallte vor Aufregung ihre Fingernägel in die Handflächen, dass es schmerzte. Würden sie sofort zuschlagen?
Aber alles blieb ruhig, von Kellerer und seinen Leuten keine Spur. Angestrengt lauschte sie, bis Robert die Hand auf ihre Schulter legte. Er wirkte misstrauisch.
«Wir kommen jetzt in die Nähe der Bande.»
«Unter der Neustadt?»
Zita nickte.
Robert blickte hinter sich zu den Polizeidienern. «Seid vorsichtig! Und ganz leise. Sie könnten in der Nähe sein.»
Langsam gingen sie weiter. Zita konnte die Anspannung fast nicht mehr ertragen.
Du tust das für dein Kind
– Sie betete diesen Satz wie einen Rosenkranz. Und dann stieg der zweite Satz in ihr hoch –
Gott vergib mir, dass ich diese Männer ins Verderben führe
.
Nachdem Hermann von Kellerer entdeckt worden war, hatten sie ihn in eine etwas abseits gelegene Kammer gebracht und an einen Eisenring in der Wand gekettet. Offenbar sollte ernicht zu nah an Weingart sein – aber doch nah genug, um seine Schreie hören zu können. Mathis hatte nur ganz am Anfang ein wenig mit ihm herumgespielt – ein paar Schläge, ein paar Tritte –, aber offensichtlich war sein Interesse an Uli weit größer gewesen. Die Geräusche, die zu Hermann herüberdrangen, waren schrecklich. Ihm war rätselhaft, wie ein Mensch diese Folter so lange ertragen konnte. Und er wusste:
Weitere Kostenlose Bücher