Das dunkle Netz der Lügen
der Frauen machte das gern, aber alle nickten Zita, die den Vorschlag gemacht hatte, zu.
«Vielleicht …» Susanna zögerte. «Ich weiß, es ist eine Geldfrage, aber meine jüngeren Schwestern … Kathi ist jetzt vierzehn, sie sollte längst irgendwo in Stellung sein, aber bisher haben wir nichts für sie gefunden. Und Lisbeth könnte nach der Schule auf die Kinder aufpassen. Sie ist zwölf und schon sehr verständig, sie versorgt auch zu Hause oft die Geschwister. Finchens Kinder können ja nicht immer bei uns in der Werkstatt sein.»
Lina runzelte die Stirn. «Ich kann nicht viel zahlen, Susanna.»
«Es würde uns schon helfen, wenn die beiden hier essen könnten und ein paar Groschen mit nach Hause brächten.»
«Gut, dann rede ich mit deinem Vater. Otto, was ist mit deinem Sohn? Ist der nicht auch schon zwölf?»
«Er geht noch zur Schule, Frau Borghoff. Aber nachmittags könnte er mir ein paar Stunden helfen.»
«Gut, dann werden wir das so versuchen», sagte Lina. Alles in allem würden sie die Hilfskräfte etwas mehr als Finchens Lohn kosten, und es gäbe ein paar Mäuler mehr zu stopfen, aber da ja auch Simons Lohn eingespart wurde, gab sie letztlich nicht viel mehr aus.
«Wir alle sollten beten, dass Finchen wieder gesund wird», sagte sie leise. «Ich danke euch allen für euren Eifer, zu helfen. Aber ich weiß ja, dass ich mich auf jeden von euch verlassen kann. Ach, ehe ich es vergesse … Zita, du wirst Finchen bei den Anproben vertreten, die Kundinnen waren alle sehr angetan von dir, und ich bin es auch.»
Im Rathaus saß Simon vor Commissar Borghoff. Wirkliche Reue zeigte er nicht. Seine Saufkumpane hatten ihm gut zugeredet,dass kein Richter einen Mann verurteilen würde, der seine ungehorsame Frau züchtigte. Und Robert wusste das auch. Die wenigen Anklagen wegen schwerer Misshandlung der eigenen Frau hatten meist nur mit geringen Strafen geendet. Außerdem war der Junge betrunken gewesen, was ihm mildernd angerechnet wurde.
«Meine Frau und ich haben gestern Abend lange miteinander geredet, Simon. Du kannst dir denken, wie enttäuscht wir von dir sind, weil du deiner Arbeit nicht nachgekommen bist. Und wie entsetzt darüber, was du Finchen angetan hast.»
«Wenn Sie mir nicht das Geld gekürzt hätten …»
«Halt deinen Mund. Du bist nicht hier, um zu reden, Simon, sondern um zuzuhören. Meine Frau und ich haben dich und Finchen bei uns aufgenommen, als das niemand anders getan hätte. Nur deshalb habt ihr heiraten und euer Kind legitimieren können. Wir haben euch eher als Familienmitglieder denn als Dienstboten betrachtet, Simon, und das ist dir wohl zu Kopf gestiegen, wenn du glaubst, uns keinen Respekt als Dienstherren mehr zu schulden.»
In Simons Gesicht arbeitete es, aber er schwieg wie befohlen.
«Wir wissen nicht, ob Finchen deine Schläge überlebt, und wenn sie überlebt, was sie von den Verletzungen zurückbehält. Deshalb wirst du weiterhin eingesperrt bleiben. Denn es könnte ja sein, dass du des Totschlags angeklagt wirst.»
«Totschlag?» Simon wurde blass. «Ich dachte …»
«Du dachtest, ein Mann kann sich gegenüber seiner Ehefrau alles erlauben? Da irr dich mal nicht. Das Gericht kann sehr wohl zwischen Züchtigung und blindwütiger Gewalt unterscheiden. Also bete zu Gott, dass sie überlebt.»
Simon saß mit offenem Mund vor ihm. Jetzt hätte Robert ihm nicht mehr befehlen müssen zu schweigen. Er ahnte, dass der junge Mann geglaubt hatte, er würde ihm eine Standpaukehalten und ihm dann verzeihen, wie er es früher so oft gemacht hatte, wenn der damals Halbwüchsige über die Stränge geschlagen hatte.
«In meinem Haus werden keine Frauen geschlagen», sagte Robert. Dann wandte er sich um zu Sergeant Recke, der bereits wartete. «Bringen Sie ihn hinüber ins Gefängnis. Ich will ihn nicht mehr sehen.»
«Aber … wie lange?», fragte Simon. «Wenn Finchen wieder gesund wird, dann ist doch alles gut!»
«Das denkst du, Simon. Ich bin der Polizeichef hier. Ich kann dich im Gefängnis verrotten lassen, wenn ich das will. Und im Moment bin ich nicht abgeneigt, genau das zu tun.»
«Steh auf, Junge!» Recke packte Simon an den Schultern und stellte ihn auf die Füße. Robert reichte ihm einen Strick, und damit fesselte er Simon und brachte ihn hinaus.
Zwei Tage später war ganz Ruhrort in heller Aufregung. Man war bei Liebrechts eingebrochen und hatte sämtlichen Schmuck gestohlen. Und das Schlimmste war, dass die Diebe Herrn und Frau
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