Das dunkle Netz der Lügen
sodass sich Lina, als sie ihren Kaffee getrunken hatte, rasch verabschiedete.
Nachdenklich ging sie die paar Schritte die Straße hinunter nach Hause. Hatten sich Weigel und Elise von Sannberg ineinander verliebt? Im Gegensatz zum Baron war Weigel im passenden Alter, und es wäre ja nicht das erste Mal, dass sich die Frau eines älteren Mannes für einen anderen, jüngeren interessierte. Aber hatten sie wirklich gewagt, eine Affäre zu beginnen? Zeit genug hätten sie dazu gehabt, so oft wie Cornelius die beiden miteinander allein ließ. Aber noch hatte Lina keinen Beweis für ihre Vermutung, und eigentlich war sie froh darüber. Denn dann wäre sie vor die Wahl gestellt, die Augen zu verschließen oder ihrem Freund davon zu erzählen. Beides war nicht sehr angenehm.
Sie betrat ihr Haus durch den Stoffladen und beauftragteChristian, mit einer Reihe von Mustern, die als Vorhangstoff taugten, bei Elise von Sannberg vorbeizuschauen.
Die letzten Anproben für die Maibälle zogen sich fast über die ganze dritte Aprilwoche. Zita war kaum noch in der Näherei, so viel hatte sie im Salon mit den Kundinnen zu tun. Sie hielt die Ohren offen und brachte viel in Erfahrung über Schmuck und sogar Geld. Beim nächsten Treffen mit Weingart hatte sie eine Menge zu berichten. Wie üblich kamen sie bei einem Altstadtwirt zusammen. Auch diesmal hatte Zita Weingart zunächst nicht bemerkt, da er sich in einer engen Seitengasse verborgen hielt und ganz plötzlich hinter sie trat.
«Du erschreckst mich jedes Mal zu Tode!», rief sie. Aber einen viel größeren Schrecken bekam sie ein paar Minuten später, als sie mit Weingart in der Gaststube saß. Denn da drängte sich aus dem Dunkel ein großer, breitschultriger Mann an ihren Tisch. Er war teuer gekleidet, fast elegant, trug einen stutzerhaften Schnurrbart, die pechschwarzen Haare waren in die Stirn gekämmt und sorgfältig mit Pomade zu Kringeln geformt. Nur seine Statur und die riesigen Hände schienen nicht zu seiner Aufmachung zu passen.
«I hab’s nicht glaub’n wollen, dass es wirklich die Zita is’, die der Uli hier getroffen haben will.» Seine Stimme mit dem breiten Dialekt war angenehm weich und schmeichelnd.
Zita merkte, wie sie zu zittern begann, zwang sich aber, ruhig sitzen zu bleiben.
«Ja, freust du dich gar nicht, mich wiederzusehen?», fragte Matthias Kellerer. Dann beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie lang und leidenschaftlich. «Das war auf die alten Zeiten!», sagte er, als er sie wieder auf die Bank drückte, und lachte schallend.
«Grüß Gott, Mathis», würgte Zita hervor. Angst und Ekel mischten sich.
«Weißt du, Zita …» Kellerer zwängte sich in die Wirtshausbank und rückte nah an sie heran. «A bisscherl enttäuscht war i scho, dass du mich nicht um Hilfe gebeten hast, nachdem dein Mann tot war.»
Ganz so, als hätte er nichts mit seinem Tod zu tun, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Aber dann riss sie sich zusammen. Ein falsches Wort konnte tödlich sein – für sie oder für ihre Tochter.
«Ich dachte, ich versuche es mal mit ehrlicher Arbeit», sagte sie leise.
Kellerer lachte kurz auf, dann zog er ein gespielt trauriges Gesicht. «Aber das ist doch so eine Verschwendung! Solch ein Körper, solch ein Gesicht sollten nur der Liebe dienen.»
Zita spürte, wie seine Hand langsam unter ihren Rock wanderte. Er wusste, dass in der Bank niemand etwas sehen konnte, und Zita war sich auch nicht sicher, ob es in dieser Kneipe jemanden interessiert hätte. Langsam strich er über ihr Knie, das lange Unterhemd schob er beiseite.
«Dann erzähl doch mal, was hast du für uns?» In Zitas Augen gerann sein lüsternes Lächeln zu einer Fratze. Sie atmete tief durch, als seine Hand die Innenseite ihres Schenkels erreichte, mit jedem Streicheln ein wenig höher.
Zita begann ihren Bericht. Bei den Borgemeisters wurden die Gitter vor den Kontorfenstern gerade erneuert, viele Ladenbesitzer erwarteten vor den Bällen höhere Einnahmen, sie hatte auch in Erfahrung gebracht, wo Frau Haniel die Haushaltskasse aufbewahrte. Und dann war da noch Elise von Sannberg, sie wollte sich ihren restlichen Schmuck kommen lassen, den sie noch in einer italienischen Bank deponiert hatte. «Ich weiß noch nicht genau, wann die Stücke hier ankommen, aber das werde ich bestimmt erfahren, die Dame ist nämlich nicht sehr verschwiegen und lässt sich außerdem ständig neue Kleider nähen.» Sie bemühte sich, leise und
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