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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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dabei, wie sein Blick von ihrem Hals zum Dekolleté wanderte.
    Zita bemerkte es, stand endlich auf und schlug die Decke zurück, damit das Bett noch etwas lüften konnte. «Hattest du Ärger bei der Arbeit?», fragte sie.
    Hermann schüttelte den Kopf. «Der Commissar ist wirklich eine Respektsperson. Sie haben seinen Brief ohne weiteres akzeptiert, obwohl mein Zweiter Puddler eine ganze Charge verdorben hat.»
    Er hatte wie üblich von unten einen Eimer Wasser mitgebracht und begann sich zu waschen. «Mein Gott, habe ich mich erschreckt, als ich deine Patronin gestern sah. Sie ist Mina wie aus dem Gesicht geschnitten.»
    Zita, die sich schnell Rock und Bluse anzog, nickte. «Sie sind Schwestern, Hermann, Zwillinge sogar.»
    «Dann ist es also kein Wunder, dass sie in Ruhrort auftaucht, wenn ihre Familie hier lebt.»
    «Ich glaube nicht, dass sie in der Stadt gern gesehen ist. Finchen hat letzte Woche so etwas erzählt, aber nichts davon, wieMina in solche Gesellschaft geraten ist. Sie hat zwei Söhne, die bei ihrem Bruder leben.»
    «Dann bedeutet das vielleicht, dass der Greifer nicht in der Nähe ist. Die Söhne seiner Fletsche dürften ihn kaum interessieren.» Hermann griff ein fleckiges Handtuch und trocknete sich ab.
    Wenn du wüsstest, dachte Zita. Aber es war gut, dass er nichts wusste. Wenn Hermann glaubte, vor dem Greifer fliehen zu müssen, würde er Ruhrort auf dem schnellsten Weg verlassen, und sie stünde allein da. Ganz zu schweigen davon, dass man sie beschuldigen würde, ihn gewarnt zu haben, wenn sie ihn schnappten.
    Sie betrachtete seinen mageren, aber zähen Körper, bevor er in seine Unterwäsche schlüpfte. «Du bist immer noch ein sehr guter Arzt, Hermann», sagte sie leise. «Du solltest dich nicht in diesem Werk abschuften.»
    «Das ist der letzte Ort, wo sie mich vermuten würden.» Er knöpfte sich den Hosenlatz zu. «Du kommst zu spät zur Arbeit!»
    «Ich glaube, heute ist das nicht so schlimm.»
    «Erzähl mir, wie es der Kleinen geht, wenn du zurückkommst.» Damit hatte er sich schon hingelegt.
    Zita griff sich ihr kleines Bündel und machte sich auf den Weg zur Harmoniestraße.
     
    Später am Morgen sah Dr.   Feldkamp nach Finchen. Sie hatte tatsächlich hohes Fieber bekommen, und Lina flößte ihr in regelmäßigen Abständen einen Aufguss aus Chinarinde ein. Dr.   Feldkamp wechselte die Verbände und nickte anerkennend. «Dieser junge Kollege hat sie wirklich vorbildlich versorgt.»
    «Sie hat heute Morgen Blut gehustet», sagte Lina. Die Angst um Finchen stand ihr ins Gesicht geschrieben. «Er hat gesagt, sie wird nur überleben, wenn sie keine inneren Verletzungenhat. Aber das Blut deutet doch darauf hin. Und sehen Sie sich das arme Kind an – ihr ganzer Körper ist ein einziger Bluterguss! Dann noch der gebrochene Arm.»
    «Ja, es ist ernst, Fräulein Lina   … Frau Borghoff. Aber es ist nur der Speichenknochen gebrochen, und der Kollege hat ihn anscheinend gut gerichtet. Doch selbst wenn sie eine innere Verletzung hat, so kann auch die heilen. Hat sie denn noch öfter Blut gehustet?»
    «Nein, ich denke nicht.»
    «Dann sollten wir das Beste hoffen.»
    Lina seufzte und begleitete den Arzt hinaus. Sie ließ Finchen nicht gern allein, aber sie musste nach den Näherinnen sehen und die Hausarbeit ohne Finchen und Simon regeln. Zunächst zerbrach sie sich den Kopf in ihrem Büro, schrieb Pläne, die sie aber alle wieder verwarf. Doch in diesen Zeiten ein neues Hausmädchen und einen Hausdiener anzustellen kam nicht in Frage, wenn sie Finchen und deren Kinder weiter mit durchfüttern wollte.
    Kurzerhand rief sie alle in der Werkstatt zusammen. Dort tollten auch Finchens Kinder herum, die zwar bei der Arbeit störten, aber beaufsichtigt werden mussten. «Simon ist fort, und Finchen wird auf längere Zeit nicht arbeiten können», erklärte sie. «Otto und Antonie können nicht die ganze Hausarbeit allein machen – egal, wie ich es drehe und wende, es ist zu viel Arbeit da.»
    «Ich könnte morgens früher kommen und Otto etwas zur Hand gehen», sagte der Ladengehilfe Christian sofort. «Ich weiß, das ist nicht viel, danach muss ich ja im Laden sein   …»
    «Das hilft uns, Christian, danke.» Gerade die morgendliche Arbeit der Hausdiener wie Wasser schleppen und verteilen und Nachttöpfe ausleeren gehörte eher zu den unangenehmen Pflichten, und Christian wusste das.
    «Wir Näherinnen könnten neben der Werkstatt auch denLaden und das Lager ausfegen und wischen.» Keine

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