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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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Küchenfenster. «Die beiden hatten sich so lieb damals. Es war ihr größtes Glück, dass Herr und Frau Borghoff es ihnen ermöglicht haben, zu heiraten und gemeinsam hier zu arbeiten. Damit Oskar endlich ein ehrbares Kind wurde.»
    «Aber du siehst ja, was aus der Liebe wird, Antonie», sagte Maria.
    «Hast du denn deinen Mann nicht geliebt?»
    «Als ich ihn geheiratet habe?» Maria lachte leise. «Ich kannte ihn ja kaum. Meine Familie hatte viel Geld verloren, und da waren meine Eltern froh, dass ich überhaupt standesgemäß versorgt war. Er war fast zwanzig Jahre älter als ich. Nein, ich habe ihn nicht geliebt. Aber gemocht habe ich ihn, und später, ja, da war dann auch Liebe. Ich glaube, er würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er wüsste, dass ich nun arbeiten gehen muss, weil das, was er mir hinterlassen hat, nicht zum Leben reicht. Und du, Zita? Du bist doch auch Witwe.»
    «Ich habe Tomasz sehr geliebt. Aber trotzdem war es nicht immer leicht mit ihm.»
    «War er auch krank, wie mein Mann?», fragte Maria.
    Zita schüttelte den Kopf. «Er wurde erschossen.»
    Sie stand auf und ignorierte die entgeisterten Gesichter der beiden anderen. Doch statt der erwarteten Geschichte verabschiedete sich Zita. «Ich muss jetzt nach Hause. Es ist fast Mitternacht. Morgen geht es hier wieder früh an die Arbeit.»
    «Und was für Arbeit», stöhnte Antonie. «Wer weiß, wie lange Finchen nicht arbeiten kann, und so lange bleibt alles an mir hängen.»
    «Antonie!», schimpfte Maria.
    «Ist doch wahr! Ich weiß ja, dass sie nichts dafür kann, aber die Arbeit im Haus tut sich nun mal nicht von allein.»
    «Frau Borghoff wird sicher eine Lösung finden, Antonie.» Zita streckte sich. «Bis morgen, ihr beiden!»
    «Bis morgen, Zita.»
     
    Als Zita auf die Straße hinaustrat, fiel ihr plötzlich ein, dass dies der Abend gewesen wäre, an dem sie Weingart hätte Bericht erstatten müssen. Wahrscheinlich hatte er eine ganze Weile in der Altstadtkneipe auf sie gewartet und war nun sehr wütend.
    Und richtig, kaum war sie um die Ecke gebogen, da trat er auch schon aus einem dunklen Hauseingang auf sie zu.
    «Wo bist du denn gewesen heut Nacht?», fragte er und hatte sie gleich schmerzhaft fest am Arm gepackt.
    «Es hat einen Notfall gegeben», sagte sie so ruhig sie konnte. Ihr Herz fing an, heftig zu pochen. Was, wenn er schon eine ganze Weile vor Borghoffs Haus wartete und dabei Hermann gesehen hatte? Nun ja, für diesen Fall konnte sie ohnehin alles vergessen. Er würde sie ebenso windelweich prügeln wie Simon Finchen. Sie dachte fieberhaft nach. «Aber vielleicht nützt mir das etwas», sagte sie dann. «Das Mädchen, das immer im Salon den feinen Damen hilft und das ich bisher nur ab und zu vertreten habe, ist schwer verletzt worden und wird lange nicht arbeiten können. Ich nehme an, dass die Chefin mich das jetzt machen lässt.»
    «Wird ja auch Zeit, dass du endlich etwas Brauchbares lieferst», knurrte Weingart, lockerte aber den Griff.
    «Ich habe etwas Brauchbares», sagte Zita. «Bei Liebrechts wird der Schmuck in einer Schatulle im Schlafzimmer aufbewahrt, viel wertvoller Schmuck. Das Schlafzimmer ist im ersten Stock nach hinten heraus, und da sie letztes Jahr die Küche erweitert haben, gibt es ein flaches Dach, auf das ihrklettern könnt, um direkt ins Schlafzimmer zu spazieren. Soweit ich weiß, werden sie in der Nacht zum Ersten Mai alle auf dem großen Ball in der Gesellschaft ‹Erholung› sein.»
    «Das ist gut!» Weingart ließ sie los. «Und weißt du auch, wo sich ihr Geld befindet?»
    «Nein, darüber wurde nicht gesprochen. Tut mir leid.»
    Zita hatte erwartet, dass er ob dieser Antwort grob werden würde, aber erstaunlicherweise blieb er ruhig. «Das nächste Mal möchte ich ein bisschen mehr hören, Zita.»
    «Wenn ich öfter bei den Anproben dabei bin, werde ich vielleicht auch mehr erfahren.»
    Wie ein Geist verschwand Weingart wieder in einem Hauseingang. «Bis nächste Woche», rief er ihr leise hinterher.
    Vorsichtshalber machte Zita noch den üblichen Umweg bis zur Milchstraße, immer in der Angst, er könnte ihr folgen. Dann war sie endlich zu Hause und fiel erschöpft ins Bett.

6. K apitel
    Am nächsten Morgen musste Hermann Zita wecken, als er von der Schicht kam. Die wenigen Stunden Schlaf hatten ihr kaum wirklich Erholung gebracht. Sie setzte sich aufs Bett und versuchte, wach zu werden. Die dunkle Haut bildete einen schönen Kontrast zur weißen Unterwäsche. Hermann ertappte sich

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