Das dunkle Netz der Lügen
Commissar und ich sind uns jedoch einig, dass wir ihn nicht mehr beschäftigen wollen, und wir wollen auch nicht, dass er unter unserem Dach wohnt. Aber du bist seine Frau, und die Kinder sind auch seine Kinder. Er könnte darauf bestehen, dass ihr mit ihm fortgeht.»
Finchens Augen füllten sich mit Tränen. «Das hier ist doch unser Zuhause!»
«Und es würde mir das Herz brechen, wenn du uns verlassen würdest.» Sie sah Finchen eindringlich an. «Wir werden immer zu dir halten, Finchen, egal was passiert. Aber jetzt musst du erst einmal gesund werden, also lass die trüben Gedanken. Simon schmort im Gefängnis, und das kann noch eine ganze Weile so bleiben.»
Um die Rückkehr seiner Frau von dem ungeliebten Gut in Moers zu beschleunigen, beschloss Cornelius von Sannberg, Tapeten und Wandanstriche im neuen Haus erst einmal beizubehalten, denn es war alles zwar alt und altmodisch, aber noch in gutem Zustand. Er wollte so bald wie möglich umziehen. Das Haus an der Harmoniestraße war mehr als doppelt so groß wie das alte und hatte außerdem eine Mansarde. Lina hatte ihm geraten, zunächst die beiden kleineren Schlafräume, die trotzdem noch seine alten an Größe übertrafen, zu beziehen, da sie vermutete, dass Elise ihr eigenes Zimmer gern neu einrichten würde. Beide wussten, dass die junge Frau letztlich alles im Haus neu gestalten und ändern wollte, aber die großen Schlafzimmer waren ein guter Anfang.
Schon eine Woche später kehrte Elise von Sannberg zurück nach Ruhrort. Ferdinand Weigel hatte sie begleiten sollen, war dann aber aufgehalten worden, da ein paar Stück Vieh verkauft werden mussten. So kam sie morgens in Begleitung des HausmädchensRose in Ruhrort an. Die Kutsche konnte direkt in den Hof des Hauses fahren, eine Seltenheit in dem eher engen Städtchen.
Zwei Tage später stattete Lina ihr einen Anstandsbesuch ab, da sie ja nun engere Nachbarn waren. Die Möbel des Barons, die im alten Wohnraum noch so gemütlich gewirkt hatten, verloren sich fast im großen Salon. «Ich werde ganz neue Möbel kaufen für den Raum», verkündete Elise, offenbar sehr glücklich darüber. «Nebenan werden wir ein kleines Herrenzimmer einrichten, da kann Cornelius dann sein geliebtes altertümliches Mobiliar abstellen. Die Bücher haben dort schon ihren Platz gefunden.»
«Werden Sie noch andere Tapeten anbringen?», fragte Lina.
«Ja, natürlich. Das ist alles so altmodisch hier. Aber trotzdem gefällt mir das Haus. Es ist nicht so schön wie das in der Schulstraße, aber immerhin braucht man sich hier nicht zu schämen, wenn man jemanden einlädt, so wie in unserem alten Haus.»
Elise führte Lina herum. Im unteren Geschoss waren eine große Küche, der Salon und das Herrenzimmer untergebracht, oben gab es zwei große und zwei kleine Schlafzimmer. Elise gedachte, eines der kleinen Zimmer zu einem Ankleideraum zu machen. Für das Personal war Platz unter dem Dach in ein paar kleinen, aber recht komfortablen Räumen. «Vielleicht zieht Herr Weigel dann auch hier ein …», sagte Elise.
Lina seufzte innerlich. Die Miete für Weigels Zimmer konnte sie nur zu gut brauchen, und sie hoffte, dass er nicht so schnell wieder auszog.
Sie hatte erwartet, dass Elise die Ausstattung und Möbel zumindest in Duisburg, wenn nicht sogar in Düsseldorf oder Köln kaufen würde, aber zu ihrem Erstaunen fragte die junge Frau um Rat, welchen Handwerker man am Ort beschäftigenkönnte. Als Lina ihr zudem vorschlug, selbst den Vorhangstoff zu besorgen, war sie sehr angetan. «Ich habe gelernt», sagte sie und deutete auf ihr Nachmittagskleid, das aus Linas Werkstatt stammte, «dass man auch in einer kleinen Stadt gute Waren bekommen kann.»
Lina empfahl ihr einen Maler und Tapezierer und einen Möbelschreiner. Sie hatten es sich gerade bei einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht, als die Tür aufging und Ferdinand Weigel hereinkam. Er stürzte fast auf Elise von Sannberg zu, dann erst nahm er Lina wahr und begrüßte sie. Daraufhin entschuldigte er sich recht hastig und verabschiedete sich schnell. So ungestüm und ungeschickt hatte Lina ihn noch nie erlebt.
Während sie sich mit Elise unterhielt, fiel ihr plötzlich wieder die Szene im alten Haus des Barons ein. Die Strähne, die sich aus Elises Haar gelöst hatte, als sie angeblich oben ihre Sachen gepackt hatte. Das leicht gerötete Gesicht Weigels … Was ging da vor sich?
Nach Weigels kurzem Auftritt schien auch Elise nicht mehr so ganz bei der Sache zu sein,
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