Das dunkle Netz der Lügen
verdächtigt wurde, den Finger auf der Waage gehabt zu haben. Es hatte entsprechend viele Gaffer gegeben, und in dem Trubel musste jemand in Ebels Jackentasche gegriffen haben.
Commissar Borghoff schien zunächst amüsiert, weil Ebel sich wirklich sehr darüber aufregte, dass er als Amtsperson Opfer einer Dieberei werden konnte, aber dann hatte er eingewilligt, dass Ebel, die Sergeanten und die Polizeidiener durch die Straßen und Häuser und auch den Hafen gingen, um die Leute zu bitten, alle Diebstähle der vergangenen zwei Monate, so klein sie auch sein mochten, zu melden.
Nun wurde das ganze Ausmaß klar. Alle, auch der Commissar, nahmen Anzeige um Anzeige auf. Als es nachmittags etwas ruhiger wurde, sah Borghoff die Stapel durch. Ihn interessierten besonders die Diebstähle, die um die Zeit des Überfalls auf Anna geschehen waren. Denn immer noch gabes keine Spur ihres Mörders, und er fürchtete, dass er den Fall ungelöst zu den Akten würde legen müssen. Anfang März hatte es zwar ein paar Einbrüche in Häuser gegeben, jedoch keinen, der auf größere Gewalt schließen ließ, und der Wert der Gegenstände, die entwendet worden waren, war meist eher gering.
Der größte Teil aller Fälle waren zum einen kleinere Taschendiebstähle und entwendete Lebensmittel. Hier ein Apfel, dort ein Kohlkopf und alles so geschickt, dass keiner der Geschädigten etwas gesehen hatte. Doch ein paar Diebereien stachen aus der Masse heraus. Da waren Geldbeutel mit größeren Summen abhandengekommen. Ein Rempler in der Menge, ein Schnitt mit dem Messer, um den Beutel vom Gürtel nehmen zu können. Auch Boten der größeren Firmen gehörten zu den Opfern.
Gerade kamen die Nächsten herein, die einen Diebstahl anzeigen wollten. Robert entschied, dass seine Leute das auch ohne ihn erledigen könnten, sammelte alle bisherigen Anzeigen ein und zog sich in das Büro des Bürgermeisters, der unterwegs war, zurück.
Auf dem großen Tisch, an dem der Gemeinderat gewöhnlich tagte, begann er die Anzeigen auszubreiten und zu sortieren. Die kleineren Taschendiebstähle könnten auf das Konto mehrerer Täter gehen, der Anstieg der Zahlen bedeutete aber, dass es zurzeit entschieden zu viele davon in Ruhrort gab.
Bei den größeren Taten war er sich sicher, dass es einen oder zwei Täter gab. Gut ausgebildete Berufsdiebe, wie sie sonst nur in der Großstadt zu finden waren. Aber auch in Ruhrort gab es genug Gedränge, um ihnen ein gutes Betätigungsfeld zu bieten. Die Fähren, die Märkte, der Hafen, wenn die Schiffer Geld bekommen hatten und mehrere Schlepper gleichzeitig viele Boote herbrachten.
Er seufzte. Er hatte zu wenige Leute, um allen beizukommen.Und Hinweise auf den Mord an Anna konnte er auch nicht finden.
Als das Rathaus seine Pforten schloss, rief der Commissar seine gesamte Truppe zusammen. «Wir müssen irgendwo anfangen, um den Diebereien ein Ende zu machen», erklärte er. «Ich habe mir die Anzeigen angesehen. Die meisten Kleindiebstähle gab es auf dem Altstadtmarkt. Oft war es Unaufmerksamkeit der Bestohlenen, sie ließen Wechselgeld offen liegen oder steckten es in eine leicht zugängliche Jackentasche.»
Ebel sah betreten auf den Boden.
«Wahrscheinlich gab es überall eine Ablenkung, wie bei Ihnen der Streit mit dem Bauern, Ebel. Wir werden morgen noch einmal alle Opfer vom Altstadtmarkt nach den genauen Umständen befragen. Der oder die Diebe arbeiten nicht allein, da bin ich mir sicher. Irgendjemand lenkt die Aufmerksamkeit auf sich, aber da läuft er auch Gefahr, dass man sich an ihn erinnert. Wir müssen ihn finden.»
«Und was ist mit den größeren Diebstählen?», fragte Kramer. «Und dem Diebstahl der Arbeitskleidung, die beim Raub bei den Liebrechts getragen wurde?»
«Ich fürchte, da werden wir zurzeit wenig tun können.» Robert machte keinen Hehl daraus, dass auch er unzufrieden mit der Lage war. «Bisher hätten wir den Diebstahl von Kleidung oder vielleicht Werkzeug und anderen Dingen nicht sehr ernst genommen, doch jetzt müssen wir jedem dieser Fälle gründlich nachgehen, denn sie könnten der Vorbote des nächsten großen Raubes sein.»
«Wir sollten auch noch einmal die Fremdenregister durchgehen», warf Polizeidiener Schröder ein.
«Für Fremde kennen die sich hier aber verdammt gut aus. Wer weiß schon, dass das Schlafzimmer der Liebrechts über den Anbau gut zugänglich ist», brummte Ebel.
«Sie haben recht, Ebel», stimmte Robert ihm zu. «Wenn es überhaupt Fremde sind, dann haben
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