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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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schuldig sein und kannst deiner Wege gehen.»
    Schweigend gingen sie durch die Altstadt bis zur Milchstraße. «Ich würde gern mal mit Hermann reden», sagte Weingart.
    «Nein, das wäre nicht gut», sagte Zita hastig. Wenn Hermann erfuhr, dass die Bande in der Nähe war, würde er weiterziehen. Das wollte sie nicht. Solange Kellerer nichts von ihm wusste, war es auch nicht nötig. Im Ernstfall konnte sie ihn immer noch warnen. «Er hat gerade etwas Vertrauen zu mir gefasst, Uli. Wenn er erfährt, dass ich schon lange weiß, dass du in der Stadt bist, wirft er mich raus.»
    «Ich glaube nicht, dass er das tun würde», murmelte Weingart, mehr zu sich als zu Zita.
    «Er hat Todesangst. Er arbeitet im Stahlwerk, weil er denkt, dass niemand einen Arzt dort vermuten würde.» Sie stockte. «Er ist auch einer von denen, denen Mathis so viel angetan hat, dass er sich nie wieder davon erholt.»
    «Gut, ich werde mich von ihm fernhalten», sagte Weingart. «Sieh zu, dass du ins Warme kommst.» Er drückte ihr ihre nassen Kleider in die Hand und verschwand in die Nacht.
    Zita ging ins Haus. Die alte Frau Heising war bereits zu Bett gegangen, aber das Herdfeuer verströmte noch etwas Wärme. Zita hängte ihren Rock und die Bluse an einen Haken am Feuer und hoffte, dass sie bis zum nächsten Morgen getrocknet waren. Oben im Zimmer hatte sie noch ein paar Krümel Tee, also nahm sie sich einen Blechbecher, füllte Wasser hinein und stellte ihn noch kurz auf die Glut. Als es heiß genug war, stieg sie hinauf in das Zimmer, schlüpfte in ihr zweites Unterhemd, das ihr auch als Nachthemd diente, und trank den Tee in langsamen Schlucken.
    Sie fragte sich, ob sie Weingart wirklich trauen konnte. Es war nicht das erste Mal, dass er sich jemandem gegenüber freundlich zeigte und bald danach wieder zu seiner alten, grausamen und bösen Art zurückkehrte. Sie hatte ein oder zwei Mädchen gekannt, mit denen er das gemacht hatte, weil sie Kellerer Geld schuldeten. Und auch als er Tomasz und sie damals fand, hatte er sich zunächst verständnisvoll gezeigt, aber letztlich hatte er Tomasz dann doch umgebracht.
    Der Gedanke an Kellerer ließ Zita wieder erschaudern. Sie dachte an ihre letzte Zeit in Wien. Hochschwanger wie sie war, konnte sie nicht mehr als Hure arbeiten, und Kellerer, dessen Geliebte sie ja eine Weile gewesen war, ignorierte sie völlig. Sie war nicht mehr existent für ihn, was sie zum einen als Segen betrachtete, zum anderen aber auch als Gefahr, denn Frauen, die Kellerer kein Geld mehr brachten, lebten gefährlich, selbst wenn sie wie Zita mit einem angesehenen Bandenmitglied verheiratet waren.
    In dieser Zeit hatte sie Gelegenheit gehabt, Kellerer zu studieren, doch je mehr sie ihn beobachtete, desto unberechenbarer schien er zu werden. Niemand konnte mehr behaupten, dass er Kellerer kannte. Und die Einzige, die nie etwas falsch machte, war Mina Bleibtreu, die unnahbare feine Dame. Für alle anderen hieß es die Köpfe einziehen, bis das Schlimmste vorüber war.
    Aber Kellerer war, wie er nun mal war, daran würde niemand etwas ändern können. Zitas Gedanken kehrten zurück zu Weingart. War es wirklich möglich, dass sich Kellerers treuester Gefolgsmann gegen ihn stellte? Sie beschloss, auf der Hut zu sein. Die inzwischen leere Tasse stellte sie auf den Boden und legte sich ins Bett.
    Kurz vor dem Einschlafen überkam sie noch einmal die Erinnerung daran, wie sie in den Rhein gestiegen war, an das Gefühl, alles aufzugeben, nicht mehr zu kämpfen, an diese kurzeSekunde Frieden, bevor sie sich gegen den Überlebenswillen ihres Körpers wehren musste. Sie hatte tatsächlich sterben wollen, ohne ihre Tochter noch einziges Mal gesehen zu haben, sie wusste ja nicht einmal, wie das Kind jetzt aussah. Jetzt konnte sie nur den Kopf schütteln darüber. Egal, was Weingart dazu getrieben hatte, sie aus dem Fluss zu ziehen, sie war ihm dankbar. Und er hatte recht, für Resi musste sie durchhalten.
     
    In den Räumen der Polizei im Rathaus an der Dammstraße herrschte ein großes Durcheinander. Dutzende Ruhrorter Bürger, angesehene und weniger angesehene, standen herum, um eine Anzeige wegen Diebstahl zu machen.
    Es gab einen Grund, warum es plötzlich so viele waren. Denn es hatte einen Diebstahl zu viel gegeben. Am Tag zuvor hatte man Inspektor Ebel auf dem Altstadtmarkt einen Silbergroschen aus der Uniformtasche gestohlen, während er versuchte, einen Streit zwischen einer Köchin und einem Bauern zu schlichten, der

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