Das Dunkle Netz Der Rache
was man aus ihnen macht.«
»Schönen Dank, aber ich ziehe Waren aus Läden vor, bei denen man umtauschen kann, wenn man eine Quittung hat.« Sie hatten den Weg zur Aufnahme erreicht. An der Mauer drängten sich Raucher, die Spitzen ihrer Zigaretten glühten in der Dunkelheit. Vom Parkplatz liefen Besucher zu zweit oder zu dritt zum Eingang. Eine Schwester und ein Mann im Rollstuhl warteten auf ein Auto, das die kreisrunde Auffahrt hochfuhr.
Er drehte sich zu Clare. »Wenn du mit jemandem reden musst, tu es.«
Sie sah ihn zweifelnd an.
»Das ist mein Ernst. Das hier« – er machte genau dieselbe Geste wie zuvor sie, wobei er sich fragte, warum ihm keine bessere Möglichkeit einfiel, die emotionale Flutwelle zu beschreiben, die sein Leben überrollte – »sollte nicht weniger aus dir machen, als du bist. Das will ich nicht, und wenn du bekennen musst oder mit dem Bischof reden oder was auch immer, dann solltest du das tun.«
»Und Namen nennen?«
Er rieb sich die Nasenwurzel unter seiner Brille. »Wenn du musst. Auch wenn es mir ehrlich gesagt lieber wäre, wenn du bei diesem Identitätsding schummeln könntest. Aber wenn du musst, nur zu.« Er schob entschlossen seine Brille zurecht. »Wegen mir darfst du dich nicht kleiner machen.«
Sie nickte.
»Lass uns reingehen. Mit Menschen sprechen, die schlimmere Probleme haben als wir.«
18:10 Uhr
Das Erste, was Rachel sagte, als Lisa die Tür öffnete, war: »Du weißt, dass dein Haus überwacht wird, oder?«
»Was? Wo?« Lisa trat neben ihre Schwester auf die Türschwelle. Das automatische Flutlicht hatte sich eingeschaltet, als Rachel auf den Hof gefahren war, und die festgestampfte Erde und das vergilbte Gras waren strahlend, wenn auch nur vorübergehend, erleuchtet. »Ich kann niemanden sehen.«
»Auf der anderen Straßenseite, vor deiner Einfahrt. Ich konnte den Streifenwagen erkennen. Ich weiß nicht, wer dich überwacht, aber Mark ist es nicht.«
Lisa ging wieder hinein und zog die Tür hinter sich zu. »Woher weißt du das?«
Madeline lag schlafend im Arm ihrer Schwester, durch die fast durchsichtigen Lider schimmerten die blauen Adern, ihr rosa Mund stand offen. Aus ihrer Nase drang ein winziges Schnarchen. »Hier, halt sie mal einen Augenblick«, sagte Rachel und hob die Fünfjährige von ihrer Schulter. Lisa übernahm ihre Nichte und ächzte leicht. Maddys zarte Erscheinung war trügerisch.
Rachel zog ihren Mantel aus. »Wer immer in dem Streifenwagen sitzt, hat mir zugewinkt. Mark hätte die Scheinwerfer aufblitzen lassen.« Sie streifte Madelines Jacke ab. »Sie ist im Auto eingeschlafen«, erklärte sie. »Mark hat sie zu den Tuckers gebracht, als er zum Dienst musste. Drei kleine Mädchen und ein hyperaktiver Hund – vermutlich ist sie die ganze Zeit nur gerannt.«
»Willst du sie in mein Bett legen?«
»Danke.«
Lisa stieg die Treppe hoch, eine Hand am Geländer, damit das unerwartete Gewicht sie nicht nach hinten riss. Rachel schob sich an ihr vorbei in den Flur, und als Lisa im Schlafzimmer ankam, hatte ihre Schwester bereits die Überdecken vom Doppelbett gestreift. Lisa legte ihre Nichte hin. Das kleine Mädchen rollte sich wie ein Bärenjunges in der Höhle zusammen und vergrub das Gesicht in den Kissen. Rachel steckte die Decke fest, und die beiden Schwestern blieben stehen und sahen im Schein der Flurbeleuchtung auf sie hinunter.
»Sie sieht wie ein wahrer Engel aus«, sagte Lisa leise.
»Das ist nur Mimikry«, antwortete ihre Schwester ebenso leise. »Das Kind, das im Schlaf so süß und reizend aussieht, ist das Kind, dessen Eltern vergessen, was für eine Nervensäge es im Wachzustand sein kann.«
Lisa lächelte schief. Rachel konnte sich zynische Bemerkungen über Kinder erlauben. Sie hatte schon eines. Lisa hoffte, dass vielleicht dieses Jahr … aber wenn Randy ins Gefängnis kam, würden keine Kinder kommen, nicht in diesem Jahr. Vielleicht nie.
Rachel, die möglicherweise ihre Gedanken las, legte einen Arm um Lisas Taille und drückte sie an sich. »Komm«, sagte sie, »gehen wir runter und trinken was.«
In der Küche schöpfte Lisa Eintopf in zwei Schalen, als Begleitung zu ihrem Rum mit Cola. Rachel aß, aber Lisa hatte keinen Appetit. Sie saß da und sah ihrer Schwester beim Essen zu und lauschte den weisen Ratschlägen, die sie zwischen zwei Bissen von sich gab. »Du musst dir einen Anwalt besorgen. Vergiss diese Pflichtverteidiger. Glaub mir, wenn es zum Prozess kommt, kriegst du, wofür du bezahlt hast, und du
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