Das Dunkle Netz Der Rache
Schrank. Sie schnappte sich ihren leuchtend roten Anorak, den sie über die Lehne eines Sessels geworfen hatte. »Zieh das an.«
Lisa schlüpfte hinein.
»Meine Schlüssel stecken im Wagen«, sagte Rachel. »Wink dem Bullen zu, der am Ende der Einfahrt steht. Falls irgendein Auto die Scheinwerfer aufblendet, machst du das dasselbe.«
»Was ist mit Maddys Kindersitz? Wird er nicht merken, dass der leer ist?«
»Auf dem Rücksitz liegt eine Tragetasche voller Bücher und Maddys Rucksack. Stapel sie auf den Sitz und breite eine von ihren Decken oder so was darüber.« Sie umarmte ihre Schwester. »Sei um Gottes willen vorsichtig.«
Rachels Gesichtsausdruck ließ Lisa zögern. »Bist du sicher?«, fragte sie. »Ich will nicht, dass du deine Ehe riskierst oder Schwierigkeiten bekommst.«
Rachel lächelte das Echo eines Lächelns. »Wir sind Schwestern. Natürlich bin ich sicher. Jetzt geh. Je schneller du wohin auch immer fährst, desto eher wirst du zurück sein.«
Beim Anlassen von Rachels Auto, in Rachels Anorak, fühlte sich Lisa weniger wie eine verzweifelte Ehefrau, die ihrem flüchtigen Ehemann hilft, sondern eher wie ein Teenager, der den Hausarrest bricht. Ihre Hand zitterte vor nervöser Anspannung, als sie den Gang einlegte, und sie hielt den Atem an, während sie die Einfahrt hinunterrollte.
Sie erreichte die Teerstraße und blinkte in die entgegengesetzte Richtung ihres Ziels – nur für den Fall. Und natürlich parkte in der Dunkelheit ein Streifenwagen, genau wie Rachel gesagt hatte. Lisa versteckte sich in dem Anorak, und als sie auf die Straße einbog und an dem Polizisten vorbeifuhr, hob sie den Arm und winkte, wobei sie so viel Ärmel wie möglich zwischen ihr Gesicht und das Fenster hielt.
In den nächsten Minuten fuhr sie im Zustand unterdrückter Aufregung. Den Blick auf den Rückspiegel statt auf die Straße gerichtet, erwartete sie jeden Moment kreisende rote Lichter und das Aufblitzen von Scheinwerfern auf ihrer Straßenseite zu sehen. Aber nichts geschah. Niemand folgte ihr. Sie war entkommen. Sie grinste, und das Gefühl von Macht und Erleichterung, das ihren Körper durchflutete, war fast genug, um die vorherige Angst und Furcht auszugleichen. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Straße vor sich. Sie musste eine Querstraße finden, die sie zu der Straße brachte, die zur Papiermühle von Reid-Gruyn führte.
18:15 Uhr
Das Erste, was Clare hörte, waren laute Stimmen. Auf halbem Weg den Flur hinunter zu Becky Castles Zimmer blieb sie erschrocken stehen, als Ed Castle brüllte: »Gottverdammt, warum hörst du nicht auf, sie zu schikanieren, und findest den Scheißkerl, der das getan hat?«
Russ runzelte die Stirn und beschleunigte seine Schritte. Hinter den halb geschlossenen Türen der anderen Zimmer umklammerten schweigende Besucher Blumensträuße und Topfpflanzen und spähten zum Flur. Suzanne Castles Stimme steigerte das Interesse noch. »Wirst du wohl still sein, Ed! Du regst sie auf!«
Clare begann hinter Russ herzulaufen und bog gerade rechtzeitig um die Ecke, um zu sehen, wie er durch die Tür von Beckys Zimmer stürmte.
»Was, zum Teufel, willst du denn hier?«, knurrte Ed. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er klang nicht wie ein Mann, der bereit war, zu vergeben und zu vergessen.
Clare stand im Türrahmen, Russ füllte den winzigen Flur zwischen Toilette und dem Rest des Zimmers, und sie wollte sich nicht an ihm vorbeidrängen, deshalb blieb sie, wo sie war.
»Warum sprichst du nicht ein bisschen leiser, Ed?« Russ klang gleichzeitig beruhigend und autoritär wie ein Sergeant mit zwanzig Dienstjahren, der einen verängstigten Gefreiten zur Räson brachte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das gesamte Krankenhaus in deine Angelegenheiten einweihen willst.« Er nickte in Richtung des Bettes. »Becky, ich bin froh, dass es Ihnen bessergeht. Lyle.«
Clare schob sich hinter Russ an der Wand entlang, bis sie Lyle MacAuley ausmachte, der am Fenster lehnte.
»Du bist hier nicht willkommen!« Das war Ed. Sie konnte ihn nach wie vor nicht sehen, aber das brauchte sie auch nicht. Die Wut, die in seiner Stimme lag, sprach für sich.
»Ed, es tut mir leid, was heute Nachmittag passiert ist. Ich bedauere es wirklich, und ich wünschte, ich wäre nie in eine Situation geraten, in der ich mich zwischen einem Freund und meinem Beruf entscheiden muss. Aber ich wäre kein Polizist und ich würde nicht für die Sicherheit der Menschen dieser Stadt sorgen, wenn ich
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