Das Dunkle Netz Der Rache
der Schicht ein Bier getrunken haben, wusste Randy jedenfalls nichts davon.
»Na ja«, fuhr Randy fort. »In meinem Leben gab es in den letzten drei Jahren ’ne Menge Veränderungen. Die Winter habe ich immer als Holzfäller für Castle Logging gearbeitet.«
Johnson nickte. Randy fragte sich, ob man seine Gedanken besser lesen könnte, wenn er kein Indianer wäre.
»Aber, äh, Ed hat beschlossen, den Laden dichtzumachen. Er will in Rente, nach Florida. Deshalb suche ich Arbeit.« Den letzten Satz sprudelte er auf den fleckigen Betonboden.
Johnson seufzte. »Auch wenn du es nicht glaubst, Randy, ich würde dich vermutlich einstellen, wenn ich könnte.«
Randy machte ein verkniffenes Gesicht. Was?
»Ich kenne Ed Castle. Er beliefert uns mit Pulpe. Und wenn er dich die letzten drei Jahre behalten hat, musst du irgendwie zur Ruhe gekommen sein. Natürlich, das passiert, wenn ein Mann heiratet.«
Randy nickte. Worauf lief das hinaus?
»Das Problem ist, wir haben eine Sperre. Keine Neueinstellungen. Keine Überstunden. Ed Castle steigt aus, weil Haudenosaunee geschlossen wird, stimmt’s?«
»Ich glaube schon.«
»Gut, wir haben dasselbe Problem. Ohne Pulpe aus der Gegend steigen die Kosten. Mr. Reid sagt, wir müssen den Gürtel enger schnallen.« Johnsons dunkle Augen blickten – bedauernd? Besorgt? Randy wusste es nicht. »Es geht das Gerücht, dass ein internationaler Konzern aus Malaysia ein Angebot für die Mühle gemacht hat. Nur Gott weiß, was dann aus unseren Jobs wird. Ich hoffe, ich kann bis zur Rente bleiben.«
Randy sah sich um. Die Tanks waren voll, die Walzen drehten sich und stampften, der stechende Geruch und der Lärm und die Männer in der Halle – alles wie vor drei Jahren. »Wir sind in Millers Kill«, sagte er verwirrt. »Was, zum Teufel, hat eine Gesellschaft aus Malaysia mit uns zu tun?« Er wusste nicht mal genau, wo Malaysia lag.
Johnson gestattete sich ein geisterhaftes Lächeln. »Du interessierst dich nicht besonders für die Nachrichten, oder, mein Junge?«
Randy ging hoch. »Nur weil ich keinen Schulabschluss …«
»Reg dich ab. Ich will dir ja gar nichts.« Johnson seufzte. »Es ist sowieso egal. Hier gibt es keine Jobs. Und wenn du nach einem anderen Fällerjob suchst, solltest du dich lieber ranhalten. Mittlerweile stellen viele Firmen Mexikaner dafür ein. Billiger als der weiße Mann, weißt du.« Er grinste unverblümt.
»Klar. Danke für den Tipp.« Randy machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon, ehe er etwas sagen konnte, das ihn in Schwierigkeiten brachte. Es war nicht Johnsons Schuld, dass es keine Stellen gab.
Keine Arbeit. Ein kalter Wind stieg in ihm auf, und trotz der Hitze in der Fabrikhalle zitterte er. Die Mühle war für ihn immer die letzte Möglichkeit gewesen. Arbeit, die er nicht wollte, die aber immer da sein würde. Blöd. Blöd.
Was sollte er tun? Lastwagen fahren? Im Supermarkt arbeiten? Skihütten putzen, wenn die Touristen weg waren? Nichts davon würde die Rechnungen bezahlen, die genau jetzt auf dem Küchentresen lagen, ganz zu schweigen davon, seine Familie zu ernähren, falls ein Baby kam.
Er trat in dieselbe kalte, leuchtende Luft hinaus. Was sollte er tun? Was?
9:35 Uhr
Russ beobachtete Eugenes Gesicht, als dieser den Brief las und das Flugblatt der Planetenbefreiungsarmee studierte. Im Esszimmer neigte sich das Frühstück dem Ende entgegen, dem letzten Schaben über sirupverklebte Teller und Resten aus der Kaffeekanne. Russ hatte ihren Gastgeber leise um ein Gespräch mit ihm und Clare gebeten. Eugene hatte sie ins Wohnzimmer geführt. Leder und Sessel mit Wollbezügen streckten sich ihnen einladend entgegen, aber niemand setzte sich.
Van der Hoeven sah ihn an. »Ich habe von der Gruppierung gehört.« Stirnrunzelnd musterte er den Brief. »Sie ist immer ein wenig verrückt gewesen, wenn es um ihre Anliegen ging, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Millie sich mit solchen Extremisten einlassen würde.«
»Wie lange wohnt Ihre Schwester jetzt bei Ihnen?«, fragte Russ.
»Seit Ende August.« Er drehte das Flugblatt um. »Da steht nirgends ein Datum darauf. Vielleicht hat sie sie ja mitgebracht?«
»Sie lagen in der Küche«, sagte Clare. »Wie wahrscheinlich ist es, dass sie dort Papiere aufheben würde, die sie aus – wo lebt sie?«
»Montana.« Er stand neben dem gewaltigen Kamin aus Flussgestein, halb abgewandt, so dass sein vernarbtes Fleisch im Schatten lag. Russ fragte sich, was von seiner Haltung bewusst und
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