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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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jetzt ist alles unglaublich mies gelaufen.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen«, erwiderte er. »Mein Tag war auch ziemlich beschissen.«
    Sie öffnete den Mund, um zu fragen, was er von ihrem Vater gewollt hatte, aber die Zugangsstraße kam in Sicht, und sie vergaß die Frage. »Feuerwehrzufahrt 52!« Sie bremste ab. »Würde es dich sehr stören, wenn wir kurz hier anhalten, bevor wir nach Haudenosaunee weiterfahren?«
    Randy sah sie abschätzig an. »Bis jetzt komme ich noch pünktlich, um Lisa abzuholen«, sagte er. Er sah aus dem Fenster. »Warum hier?«, fragte er mit abgewandtem Gesicht.
    »Weil mein Dad seine Maschinen hier stehen hat. Ich muss für die Versicherung eine Inventarliste aufstellen.«
    Sie bog in die Zufahrt ein.
    »Wie bitte?«
    »Die Transporter und Greifer und das ganze Zeug sind gegen Schaden und Verlust versichert. Wie dein Motorrad und dein Pick-up.« Ihr ging auf, dass es vielleicht nicht so war wie bei seinem Motorrad und seinem Pick-up. Vermutlich gehörte er zu den Leuten, die die Versicherung gerade lange genug bezahlten, um die Fahrzeuge anzumelden, und sie dann verfallen ließ.
    »Oh«, sagte er. Dann: »Okay.«
    Sie lenkte den Wagen über den Feldweg. Er war breit und fest, eine Straße für schwere Holzlaster und Transporter mit Holzabfall, die durch die eisigen Tiefen des Winters navigierten. Die abgestorbenen Bereiche zu beiden Seiten machten sie noch breiter; Abflussrinnen, die durch die großen Mengen von Streusalz, das von der Straße gespült wurde, jeglichen Lebens beraubt waren. Ein weiterer übler Aspekt der Holzwirtschaft, den ihr Vater leugnete.
    Sie rumpelten ungefähr eine halbe Meile bergauf, dann stellte sie den Wagen ab.
    »Was ist?«, fragte Randy. »Wir sind noch lange nicht da.«
    Eine Kindheit, in der sie häufig mit ihrem Vater in den Wäldern gewesen war, hatte sie gelehrt, dass man in den Adirondacks niemals eine unbefestigte Straße befuhr, es sei denn, man war in einem Wagen mit Vierradantrieb und Seilwinde unterwegs. »Ich will nicht im Morast steckenbleiben oder beim Bergauffahren die Stoßdämpfer ruinieren«, sagte sie. »Du kannst hier auf mich warten. Es wird nicht lange dauern.«
    Sie brach zu der Ochsentour den Berg hinauf auf. Sie hatte Freunde in Albany, die entsetzt wären, weil sie ihr Auto und die Schlüssel im Besitz eines Mannes zurückließ, den sie gerade erst kennengelernt hatte, aber hier war Millers Kill. Obwohl er nicht viel redete, hatte sie innerhalb von zwanzig Minuten seinen Namen, den Namen seiner Frau und wo sie arbeitete und die Werkstatt, in der er sein Motorrad reparieren ließ, in Erfahrung gebracht. Vermutlich hatten sie Dutzende gemeinsame Bekannte. Ganz abgesehen von ihrem Vater.
    Bei dem Gedanken an ihren Vater verkrampfte sich ihr Magen. Sie hatte sich geschworen, sich bei diesem Besuch wie eine Erwachsene zu benehmen und auch so behandelt zu werden. Stattdessen war das Gespräch mit ihrem Vater auf keinem höheren Niveau verlaufen als: »Das kannst du mir nicht antun!« – »Nein? Wart’s ab!« Und das Ganze unterstrichen davon, dass sie aus dem Garten stürmte, ohne sich zu verabschieden.
    Das Echo eines Knalls unterbrach ihre Selbstbezichtigungen. Wahrscheinlich Randy, gelangweilt von der Aussicht durch die Windschutzscheibe. Sie wartete nicht auf ihn, während sie im kalten, hellen Sonnenlicht nach oben marschierte, das zähe braune Unkraut musterte, das sich an die vergiftete Erde klammerte, den Wald, der sich zu beiden Seiten erhob: schwere, düstere Schierlingstannen, die geisterhaften Überreste von Birken, mumifizierte Brombeeren, gefangen in ihren dornigen Gräbern.
    Sie konnte die Lichtung hören, ehe sie sie sah. Eine große offene Fläche zwischen all den Bäumen strahlte etwas Besonderes aus – ein Nichtgeräusch, einen negativen Raum in der dichten Masse des Walds, ein Innehalten im Atmen der Wälder. Der Weg beschrieb eine Kurve, wurde dann eben und öffnete sich auf ein weites Schlachtfeld. Angesichts der gewaltigen klaffenden Wunde im Antlitz des Waldes zuckte sie zusammen; die Zinnen der Stümpfe, die man aus dem Boden gerissen und liegenlassen hatte, der knochentrockene Haufen aus Büschen und Holzabfall, die sich wie Scheiterhaufen zum Himmel erhoben. Der Ort, obgleich verlassen, pulsierte von einer Art von Energie, dem nachklingenden Geist der Männer, die bereit waren, Tausende Festmeter und tonnenweise Abfallholz aus der rauhen Wildnis zu schleppen. Maschinen warteten nur darauf, dass sich

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