Das Dunkle Netz Der Rache
Krankenhaus folgen und im Wartezimmer herumlungern.
12:40 Uhr
Randy hatte den Parkplatz von Reid-Gruyn verlassen, ohne einer einzigen Seele begegnet zu sein. Er fuhr in Richtung Glens Falls, aber als er nach einer Viertelstunde an einer Tankstelle vorbeikam, beschloss er, einen Versuch zu wagen und herauszufinden, ob Mike schon zu Hause war.
Mike hob beim dritten Klingeln ab. »Hey, Mann«, sagte Randy. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Kannst du mich an der Tankstelle unten an der Fabrik treffen?«
»Was machst du da?«
»Lange Geschichte. Erzähl ich dir später. Kannst du mich abholen?«
»Sicher. Du hast Glück – ich bin gerade erst von der Jagd zurück. Ich habe heute einen Hirsch geschossen, cool, oder?«
Innerhalb von zehn Minuten war Mike an der Tankstelle. Alles lief wie geschmiert. Randy dachte an all die Male, die er jemanden hatte sagen hören: Er ist mit Mord davongekommen. Und jetzt war er das.
Randy war nicht klar gewesen, dass »gerade zurück von der Jagd« in der Übersetzung einen verdammt großen, blutigen, auf der Haube von Mikes Wagen festgebundenen Hirschkadaver bedeutete. Er konnte nicht aufhören, das Ding anzustarren, dessen Kopf bei jedem Schlagloch wackelte und hüpfte, während die blicklosen braunen Augen ihn durch die Windschutzscheibe anstarrten.
»Meine Brüder waren total fertig, als ich ihn eingesackt habe«, erzählte Mike, dessen Sieg im Geschwisterkampf noch immer aus seinem Gesicht leuchtete. »Zwei Jahre hintereinander hab ich meinen Hirsch als Erster geschossen. Zwei Jahre! Yeah!« Triumphierend hob er die geballte Faust.
»Das ist toll, Mann.« Sie holperten über eine Frostbeule in der Straße, und der Hirsch nickte zustimmend. Und ob! »Sind sie immer noch draußen und versuchen es?«
»Nö! Um diese Tageszeit sind die Hirsche im Unterholz und schlafen. Morgen bei Tagesanbruch kommen sie wieder raus. Während ich mich ausschlafe und von Wildsteak träume.«
Randy fragte sich, ob Becky Castle schon gefunden worden war. Sollte er nachher vorbeifahren und nachschauen? Was, wenn man ihn sah? Er schaute aus dem Seitenfenster in den klaren Himmel. Keine einzige Wolke. Würde kalt heute Nacht. Einiges unter null. Er und Lisa würden sich unter den Steppdecken eng aneinanderschmiegen und sich gegenseitig wärmen. Und Becky Castle?
Es ist vielleicht besser, wenn sie nicht gefunden wird. Die Vorstellung ängstigte ihn. Die Vorstellung, dorthin zurückzukehren, ängstigte ihn. Aber er würde nicht verschwinden, der finstere Gedanke, wie ein langer Nachmittagsschatten, den man aus dem Augenwinkel sah. Wenn sie nicht gefunden wurde, gab es keinen Grund, zu schwitzen und sich zu ängstigen und darauf zu warten, dass Bullen auf der Suche nach ihm an der Tür klingelten.
Immerhin hatte er nicht vorgehabt, sie zu töten. Er wollte sie nicht mal verletzen, nur die verdammte Kamera hatte er wiederhaben wollen … Falls sie … verschwand … wiese nichts auf Mord hin. Nur ein weiterer Mensch, der ohne richtige Ausrüstung in die Berge ging und nie zurückkehrte. Das passierte jedes Jahr.
Ein übles Schlagloch rüttelte sie durch. Der Kopf des Hirsches nickte auf der Haube, die trockenen Augen auf Randy gerichtet. Das Leben in den Bergen ist hart. Man stirbt leicht.
Er musste nicht lange überlegen. Er konnte einfach rüberfahren. Nachsehen, ob man sie gefunden hatte. Nur nachsehen. Er wandte sich an Mike. »Ich muss Lisa von ihrer Putzstelle abholen. Macht es dir was aus, wenn ich dir nicht helfe, den Hirsch von der Haube zu holen, wenn wir bei dir sind?«
Mike zuckte die Schultern. »Ich schaff das schon.«
»Hör mal, tust du mir einen Gefallen? Wenn dich jemand fragen sollte, war ich die letzten anderthalb Stunden mit dir zusammen.«
Mike hob den Blick von der Straße und sah Randy flüchtig an. »Vor anderthalb Stunden habe ich den Hirsch aus dem Wald geschleift.«
»Es war aber niemand bei dir, oder?«
»Nein.«
»Hast du angehalten und den Hirsch bei der Station gemeldet?«
»Nee, ich dachte mir, ich ruf an.«
»Na siehst du. Niemand kann behaupten, wir wären nicht zusammen gewesen.«
Mike sah argwöhnisch drein. »Was ist los?«
Randy zögerte. »Das will ich dir nicht sagen. Aber es ist nichts, was umdrehen und dich in den Arsch beißen könnte, keine Sorge.«
»Du bumst aber nicht rum und bescheißt Lisa, oder?«
Randy klappte der Mund auf. »Nein! Das würde ich nie tun!« Er schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es hat
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