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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Kellertür. Er hatte angenommen, es würden mehr sein – darum war es ja gegangen, dass er mit seinem Pick-up alle auf einmal transportieren konnte –, aber zu diesem Zeitpunkt wollte er nicht streiten. Er nahm beide Kisten auf einmal und marschierte zurück zu seinem Geländewagen, wobei er leicht unter seiner Last schwankte.
    Liefern würde er später. Jetzt fuhr er erst mal zu Mike – ein bisschen abhängen, helfen, den Hirsch auszunehmen, und sein Alibi aufpolieren. Er war kein Mörder, aber in seinem Hinterkopf schwärte die Kehrseite der Medaille: Eine lebendige Becky Castle konnte ihn identifizieren. Er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Er wusste nicht mal, wie er darüber nachdenken sollte, deshalb verdrängte er alles. Er brauchte Zeit. Er brauchte ein paar Minuten Normalität an diesem durchgeknallten Tag, um wieder zu Atem und auf die Beine zu kommen. Aber zu viel Zeit durfte er sich auch nicht nehmen. Er dachte an den Hirsch, der bei Mike auf ihn wartete. Genau wie er war dieser Hirsch ins Schussfeld geraten und hatte einen Sekundenbruchteil zu lange gezögert, ehe er sich in Bewegung setzte. Deshalb war er jetzt Wildbret. Er schüttelte den Kopf. Er würde nicht denselben Fehler begehen.

13:35 Uhr
    Auf dem Namensschild der Schwester auf der anderen Seite der Rezeption, Clare gegenüber, stand HOLLI MURRAY, MTA, aber genauso gut hätte es NS heißen können. Sie war wahrlich keine Hilfe. Nervensäge, echt, dachte Clare. Und versuchte es noch einmal. »Schauen Sie einfach nach. Millie van der Hoeven.«
    »Ma’am, ich habe Ihnen bereits gesagt, dass keine Millie van der Hoeven aufgenommen worden ist.«
    »Ich glaube, mit vollem Namen heißt sie Millicent. Vielleicht hat man ihren Nachnamen nicht richtig notiert, als sie eingeliefert wurde. Könnten Sie es mit Van Hoeven oder einfach Hoeven probieren?«
    »Ma’am, sie ist nicht hier.«
    »Oh, um Himmels willen!« Clare ließ die Hände schwer auf den Tresen fallen, um sich nicht die Haare zu raufen. »Könnten Sie dann bitte nachsehen, ob sie nach Glens Falls gebracht wurde?«
    Holli Murray, MTA, sah Clare herablassend an. Sie war eine große Bohnenstange mit vom Bleichen spröden Haaren und dick aufgetragenem Make-up. Sie wirkte wie das ausgelaugte, erschöpfte »Vorher« einer Werbung für Eisentabletten. »Ma’am«, erkundigte sie sich. »Sind Sie eine Verwandte?«
    »Nein, aber ich bin Pastorin.«
    Murrays äußerst dünn gezupfte Brauen hoben sich, als sie Clare unverhohlen von Kopf bis Fuß musterte, ihre ausgebeulte, fleckige Hose, das angejahrte Thermohemd und die von der Mütze platt gedrückten Haare, deren widerspenstige Strähnen sich aus dem Knoten in ihrem Nacken lösten.
    »Ehrlich!«, beteuerte Clare. »Ich bin einer der Krankenhauskaplane.«
    Das Washington County Hospital war zu klein für einen eigenen Sozialarbeiter, Pathologen und Kaplan. Die ersten beiden teilte man sich mit Glens Falls und dem Rechtsmedizinischen Institut des County. In der letztgenannten Position wechselten sich die Geistlichen der Baptisten, Methodisten und Presbyterianer von Millers Kill ab – und die Pastorin der Episkopalen.
    »Ja sicher«, sagte Holli Murray, MTA. »Und ich bin Clara Barton.«
    Der Aufzug klingelte, und Clare sah eine bekannte Gestalt hinaustreten. Alta Brewer, die Oberschwester der Notaufnahme.
    »Alta«, rief Clare. »Würden Sie für mich bürgen?«
    »Hey, Reverend Fergusson.« Die Schwester wechselte die Richtung und steuerte auf die Rezeption zu. Einen Kopf kleiner als Clare und gebaut wie ein Miniatur-Humvee, begegnete Alta Hindernissen mit derselben Gleichgültigkeit. Sie warf Murray einen flüchtigen Blick zu. »Der Reverend gehört dazu. Tun Sie alles, was sie möchte.«
    »Aber sie fragt nach vertraulichen Patientendaten«, jammerte Murray.
    »Ach, um Himmels willen.« Alta schubste Murray vom Monitor weg. »Holen Sie sich was zu essen, ja, bevor Sie umkippen und uns noch mehr Arbeit machen.« Sie tippte ihr Passwort ein, während Holli Murray, MTA, ins Hinterzimmer huschte. »Verdammte Bohnenstangen. Kann sie nicht ausstehen.« Alta sah zu Clare auf. »Nach wem suchen Sie, Reverend?«
    »Millie van der Hoeven. Sie müsste in der letzten halben Stunde von einem Krankenwagen gebracht worden sein. Sie wurde oben in den Wäldern …«
    »Ich weiß, wen Sie meinen.« Alta tippte wie wild. »Holli konnte sie nicht finden, weil sie nicht Millie van der Hoeven ist.«
    »Was?«
    »Die Polizei ist noch mal hingefahren, um sich

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