Das Dunkle Netz Der Rache
sah, als sie sich auf die Ellbogen hievte, war ein leuchtend gelbes Warnschild: PISO MOJADO.
»Heilige Kuh, das tut mir leid!« Ein junger Mann in Pförtnergrün stellte seinen Mopp in einen Eimer und half ihr auf. Er hatte die weit auseinanderstehenden Augen und runden Wangen des Down-Syndrom-Kranken und war total zerknirscht. »Ich hätte das Schild näher beim Aufzug aufstellen müssen, bevor ich saubermache. Alles in Ordnung?«
Clare drückte seine Hand. »Es war meine Schuld. Ich bin gerannt, ohne auf den Weg zu achten.« Ihr Rücken war feucht und roch – sie schnüffelte – nicht gut.
»Ein kleines Kind musste sich übergeben«, bekannte er. »Es stinkt ziemlich.«
Sie drückte wieder seine Hand. »Ich muss los.« Sie lief weiter, seine Warnung verhallte hinter ihr. »Nicht rennen!«
Sie wich Besuchern und Patienten aus, die entlassen wurden, drückte gegen die automatischen Türen, um rasch ins Freie zu gelangen, aber als sie aus dem Foyer in den kühlen Sonnenschein stolperte, konnte sie Ed Castle nirgends entdecken.
Innerlich stieß sie eine Reihe von Flüchen aus. Sie verwarf die Idee, in der Hoffnung, seinen Geländewagen zu finden, zum Besucherparkplatz zu hetzen. Saß er erst einmal hinter dem Steuer, konnte sie ihn sowieso nicht mehr aufhalten. Die Polizei rufen. Das war das Beste, was sie tun konnte.
Sie klopfte ihre Taschen ab. Sie hatte ihr Handy im Auto vergessen. Sie trabte zurück zum Empfang, wobei in ihrem Kielwasser eine Menge Nasen gerümpft wurden. Holli Murray, MTA, sah sie mit unverhohlenem Missfallen an.
»Darf ich mal Ihr Telefon benutzen?«
»Dort drüben sind Telefonzellen.« Murray zeigte auf die andere Seite des Foyers.
»Ich habe kein Kleingeld. Es ist ein Notfall.«
Murray öffnete den Mund, dann zögerte sie. Sie schürzte die Lippen. »Was riecht hier so?«
»Das Telefon?«
»Das Aufnahmetelefon ist nicht für Krankenhausbesucher der Patienten bestimmt.«
»Hören Sie.« Clare beugte sich über den Tresen. »Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor. Sie erlauben mir, das Telefon zu benutzen, und ich hänge den Rest Ihrer Schicht nicht länger hier herum und stinke nach Babykotze.«
Murray nahm das Telefon und schob es über den Tresen.
Clare wählte die Nummer von Russ. Es klingelte ein Mal.
»Hallo.«
Beim Klang seiner Stimme schloss sie die Augen. »Ich bin’s«, sagte sie.
Sie konnte sein Lächeln hören. »Hallo, du.«
»Bist du irgendwo in der Nähe von Haudenosaunee?«
»Nein, ich bin im Washington County Hospital.« Sie starrte auf das Telefon. »Bist du hier, um mit den Castles zu sprechen?«
»Woher weißt du von den Castles? Wo bist du?«, fragte er.
»Im Foyer des Washington County Hospital.«
Er machte ein Geräusch, das ein Schnauben gewesen sein konnte. »Ich komme von der Notaufnahme rüber. Bin in einer halben Minute da. Ich nehme an, du bist an deiner schwarzen Kleidung, aufgeputzt mit dem klassischen weißen Kragen, zu erkennen?«
»Nein, aber mach dir keine Gedanken. Wenn du keine schwere Erkältung hast, kannst du mich gar nicht verfehlen. Tschüs.« Sie legte auf.
Murray stürzte sich auf das Telefon. »Das klang aber nicht nach einem Notfall.«
Nur der Anblick von Russ, der den Flur herunterkam, hielt Clare davon ab, Holli Murray, MTA, mitzuteilen, was sie von deren wenig zulässigen Nazimethoden hielt. Sie ließ die Frau, die gerade den Hörer abwischte, stehen und ging zu ihm hinüber.
»Handys. Man muss sie einfach lieben.« Er grinste sie an. »Du siehst aus, als wärst du bis gerade eben mit der Suchmannschaft unterwegs gewesen. Woher wusstest du …« Er unterbrach sich. Schnüffelte. »Was, in Gottes Namen, stinkt hier denn so?«
»Frag nicht.« Sie fasste kurz zusammen, was sie mit der jungen Frau, die sie für Millie van der Hoeven gehalten hatte, und den Castles zu tun hatte. Als sie ihm erzählte, dass sie die Auseinandersetzung zwischen Eugene und Bonnie ausgeplaudert hatte, runzelte Russ die Stirn.
»Wieso weiß ich nichts davon?«
»Ich wollte dich deswegen anrufen. Es war ein ziemlich verrückter Tag.«
»Jesus, das kannst du zweimal sagen.« Er zuckte zusammen. »Verzeihung.«
Sie wischte die Blasphemie beiseite. »Darum habe ich dich angerufen. Als Ed hörte, was passiert ist, ist er ausgerastet. Er rannte hinaus wie der Zorn Gottes und schwor dabei, dass er Eugene umbringen würde. Eugene ist womöglich gar nicht in Haudenosaunee – ich habe ihm gesagt, das verletzte Mädchen sei seine Schwester, und ich
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