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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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lieber Schauspielerin sein als die Ehefrau eines Cops. Manchmal hatte er sich gefragt, was er eigentlich an ihr fand. Etwas Erfüllung vielleicht. Etwas Greifbares, diese eigenartige Kombination von Geist und Oberflächlichkeit, die sie so wunderbar ausbalancieren konnte. Vielleicht machte es überhaupt keinen Sinn, das herausfinden zu wollen. Wer wusste schon, warum irgendjemand einen anderen liebte? Wahrscheinlich keiner. Er überquerte den Ohio River in der Nähe von Wheeling, wo Tausende von Regentropfendie eisengraue Farbe des breiten Flusses unter der Brücke mit einem Muster versahen. Er mochte Flüsse. Sie ließen ihn immer daran denken, was alles möglich ist. Die Interstate führte jetzt in Kurven bergauf nach West Virginia. Die großen Lastzüge donnerten darüber hinweg und bespritzten ihn mit Wasser, wenn sie bergab an ihm vorbeirasten. Bei der nächsten Steigung würden sie wieder langsamer werden und er würde abbremsen oder sie überholen müssen, nur damit sie abwärts wieder an ihm vorbeirauschen konnten, um die verlorene Zeit aufzuholen. Für die Trucker war Zeit Geld. Er konnte das verstehen. Aber besonders bei diesem schlechten Wetter konnten sie einem auf die Nerven gehen. Es war wohl vor allem sein persönliches Problem, dass er Jennifers Verhalten nur an seiner eigenen Person messen konnte. Sie würde mir das nie antun. Aber es war nur zu menschlich. Er verurteilte sich nicht, aber seine Einfältigkeit beunruhigte ihn manchmal schon, wenn er darüber nachdachte. Er war viel zu lange Cop gewesen, um nicht zu wissen, dass dem Verstehen Grenzen gesetzt sind. Ich habe mir eingebildet, sie könne mit Sex nichts mehr anfangen, als sie bloß keinen Sex mehr mit mir haben wollte. Später erst war ihm klargeworden, dass sie Sex immer in Zusammenhang mit etwas anderem gemocht hatte, etwas, das sie haben wollte, und zu einem bestimmten Zeitpunkt war er das gewesen. Vielleicht war Sex ihr nie so wichtig gewesen, wie es ausgesehen hatte. Vielleicht machte es ihr keinen Spaß mehr, nachdem sie bekommen hatte, was sie wollte. Wenn man gern angelte, hieß das ja noch lange nicht, dass man Fisch mochte. Der Regen fiel jetzt so dicht, dass die Scheibenwischernicht mehr mitkamen. Er schaltete den Explorer auf Vierradantrieb um und folgte dem glänzenden Highway auf seinem gewundenen Weg durch die Berge. Sie hatte die Affäre mit Elliott geleugnet, als sie ihn verließ, und behauptet, sie müsse einfach weg und würde ihn nicht wegen eines anderen verlassen. Vielleicht sollte das rücksichtsvoll sein. Vielleicht war es zu diesem Zeitpunkt rücksichtsvoll gewesen. Als sie dann doch noch anfing, über Elliott zu sprechen, hatte er sich schon so weit von ihr gelöst, dass er es verkraften konnte. Am Abend, als sie ihn verlassen hatte und er allein zu Hause war, hatte er seine Dienstpistole hervorgeholt und darüber nachgedacht, wie er sich erschießen sollte. Viele Cops begingen Selbstmord. Sie hatten das Mittel dazu. In der nationalen Selbstmordstatistik standen sie sicher auf Platz eins. Wahrscheinlich wäre es am sichersten, wenn er den Lauf in den Mund steckte, nach oben richtete und abdrückte, dann wäre er sofort tot. Die Cops nannten das »die eigene Waffe fressen«. Er setzte sich aufs Bett, wiegte die Pistole in seiner Hand und empfand ihre Anwesenheit als Trost. Falls er es nicht aushielt, verlassen zu werden, falls sie nicht zurückkommen würde, war die Pistole immer bereit. Es war tröstlich, das zu wissen. So ähnlich wie mit Alkohol. Falls es richtig schlimm werden sollte, konnte er immer noch mit dem Trinken anfangen. Er legte die Waffe wieder in die Schublade seines Nachtschränkchens, ging zum Fenster und blickte hinaus … Der Regen ließ nicht nach. Als er durch das nördliche West Virginia fuhr, prasselte er gelegentlich noch heftiger. Jesse fuhr, indem er sich an den Rücklichtern der vor ihm fahrenden Autos orientierte. Er hatte plötzlich dieVision einer zehn Meilen langen Schlange von Wagen, in der jeder Fahrer dem Rücklicht des vorherigen folgte, und alle stürzten sie einer nach dem anderen in einen Abgrund, weil der erste Fahrer eine Kurve verpasst hatte … Nachdem sie fortgegangen war und er sich entschieden hatte, den Selbstmord zu verschieben, kam er zu dem Schluss, dass es immerhin schlimm genug war, um mit dem Trinken anzufangen. Zuerst merkte niemand etwas. Dann sprach ihn sein Partner, der zweiundfünfzigjährige Ben Romero, darauf an. Jesse hörte zu, zuckte mit den Schultern

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