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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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sagte Jesse. »Aber man trifft sich nicht mit einer Frau und erzählt dann allen davon.«
    »Jede Wette, dass Sie mit Ihren Kollegen darüber reden.«
    »Nein.«
    »Wahnsinn. Waren Sie mal verheiratet?«
    »Ja.«
    »Sind Sie jetzt geschieden?«
    »Ja.«
    »Weil Sie sich nicht genug geliebt haben?«
    »Nein. Ich glaube schon, dass wir uns lieben.«
    »Weswegen denn sonst?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Mann, schon wieder etwas, worüber Sie nicht reden wollen.«
    »Ich rede ja auch nicht über unser Verhältnis«, sagte Jesse.
    Michelle erstarrte.
    »Wir haben doch gar nichts miteinander«, sagte sie.
    Jesse grinste sie an.
    »Das macht es natürlich viel einfacher«, sagte er.
    Michelle versuchte sich zusammenzureißen, aber sie schaffte es nicht. Sie kicherte.
    »Jesse, Sie sind echt ein verrückter Typ«, sagte sie. »Sie sind wirklich total abgefahren. Ein Irrer.«
    »Nett, dass es dir aufgefallen ist.«
    Und Michelle kicherte weiter und starrte auf das bunte Blätterdurcheinander unter ihren baumelnden Füßen.

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53
    Dr. Madeline St. Claire hatte ihre Praxis in einem Gebäude am Bedford Drive in Beverly Hills, einen Block nördlich vom Wilshire Boulevard, an der Ecke zum Brighton Way. Jenn mochte dieses Gebäude. Sie kam sich wichtig vor, wenn sie zweimal pro Woche dorthin ging. Jenn fand Dr. St. Claire toll und hasste sie gleichzeitig. Sie war so unerbittlich.
    »Wonach wir hier suchen«, hatte Dr. St. Claire während einem der ersten Termine zu ihr gesagt, »ist die Wahrheit.«
    »Wie kommt es, dass Sie so genau wissen, was die Wahrheit ist? Vielleicht ist Ihre Wahrheit gar nicht meine Wahrheit.«
    »Wir wollen Ihre Wahrheit herausfinden«, sagte Dr. St. Claire. »Wir wollen herausfinden, warum Sie das tun, was Sie tun.«
    »Wer entscheidet darüber, was die Wahrheit ist?«
    »Sie werden das tun.«
    »Warum brauche ich Sie dann überhaupt?«
    »Warum Sie mich brauchen?«, hatte Dr. St. Claire gefragt und Jenn hatte dieses plötzliche Panikgefühl empfunden, das sie oft erfasste, wenn sie merkte, dass sie allein eine Entscheidung fällen sollte.
    Diese Phase hatte sie inzwischen hinter sich gebracht. Sie wusste jetzt, warum sie Hilfe brauchte, um die Wahrheit herauszufinden. Aber das störrische Kind, das gegen den Lehrer rebelliert, war nie ganz verschwunden, weshalb viele der Therapiesitzungen zu heftigen Auseinandersetzungen führten. Manchmal musste Jenn weinen. Dr. St. Claire blieb unbewegt. Sie war nett, aber sie war hart, und nichts, was Jenn versuchte, kein Trick aus ihrem reichhaltigen Repertoire konnte sie umstimmen. Unter dem festen Blick von Dr. St. Claire brach die ganze Fassade, hinter der Jenn sich so gerne verschanzte, in sich zusammen.
    Sie sprachen über Jesse.
    »Es ist nämlich so«, sagte Jenn, »dass ich jetzt, wenn ich nur mit ihm spreche, viel mehr für ihn empfinde als früher. Ich fühle mich stärker. Es ist, als ob ich meine alte Haut abgestreift hätte und nun ein neues lebendiges Selbst geboren worden wäre, noch feucht hinter den Ohren, ängstlich, aber einzigartig. Klingt das merkwürdig?«
    Dr. St. Claire bewegte leicht den Kopf, eine neutrale Bewegung, die Jenn ermutigen sollte, weiterzusprechen.
    »Ich weiß, dass ich nicht lange genug hier bin, um eine fertige Persönlichkeit zu sein. Aber wenn ich mit Jesse spreche, spüre ich, dass er in Schwierigkeiten ist, und ich weiß, dass er Angst hat. Jesse hat noch nie in seinem Leben Angst gehabt.«
    »Oder es nie gezeigt«, sagte Dr. St. Claire.
    »Er ist aber ein sehr ehrlicher Mensch.«
    Dr. St. Claire nickte.
    »Und das Verrückte ist, dass ich mich dann, wenn er zugibt, Angst zu haben, viel stärker fühle. Sie verstehen schon. Ich bilde mir ein, ihm helfen zu können.«
    »Was könnte das für eine Hilfe sein?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich ja nur froh, dass er nicht so verdammt perfekt ist, verstehen Sie? Weil er jetzt Angst hat.«
    »Vielleicht sind Sie gar nicht so viel weniger wert als er«, sagte Dr. St. Claire.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie haben gelernt, Dinge zu bekommen, indem Sie sich Männern unterordnen. Die Männer waren mächtig. Ich glaube, Sie haben selbst mal gesagt, dass Sie nur mit den Augen klimpern mussten, wenn Sie etwas haben wollten.«
    »Und jetzt muss ich das nicht mehr?«
    »Jetzt haben Sie das nicht mehr so nötig«, sagte Dr. St. Claire. »Aber ich glaube nicht, dass Sie es schon

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