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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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gegenüber saß Mr. Gennaro und schaufelte Kaffeeweißer in seine Tasse und rührte um. Er war drahtig und nicht viel größer als seine Frau. Er verdiente sein Geld mal als Fischer, mal als Landschaftsgärtner, und im Winter fuhr er einen Schneepflug.
    »Wie geht es Ihnen jetzt?«, fragte Jesse.
    Mr. Gennaro schwieg.
    »Wir kommen schon zurecht«, sagte Mrs. Gennaro.
    »Es wird wieder besser gehen«, sagte Jesse. »Ich weiß, dass Sie das jetzt nicht glauben können, aber mit der Zeit geht es besser.«
    Keiner von beiden erwiderte etwas. Wahrscheinlich möchten sie im Moment gar nicht, dass es ihnen besser geht, dachte Jesse, wahrscheinlich haben sie sich so sehr in ihren Kummer vergraben, dass er ihnen alles bedeutet und ohne ihn überhaupt nichts übrigbliebe.
    »Ich habe gehört, Sie wollen das Haus Ihrer Tochter verkaufen.«
    »Ja«, sagte Mr. Gennaro. »Macht ja keinen Sinn, für ein leeres Haus Geld zu bezahlen.«
    »Verkaufen Sie es möbliert?«
    »Nein«, sagte Mrs. Gennaro. »Wir haben jemanden kommen lassen, der alles ausgeräumt hat. Er hat uns die Möbel bezahlt.«
    »Das ist vernünftig. Es wäre schrecklich gewesen, wenn Sie es selbst hätten tun müssen.«
    Mrs. Gennaro nickte. Der Kessel fing an zu dampfen. Sie drehte die Hitze ab und trat an den Tisch.
    »Aber Sie haben doch sicherlich einige Erinnerungsstücke behalten?«
    Mr. Gennaro rutschte auf seinem Stuhl herum.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Mrs. Gennaro.
    »Sie wissen schon: Bilder, Briefe, Tagebücher, so was eben.«
    Sie schwiegen.
    »Hat sie ein Tagebuch geführt?«, fragte Jesse.
    Mr. Gennaro sagte: »Ja«, Mrs. Gennaro gleichzeitig: »Nein.«
    Jesse lächelte höflich und wartete ab. Die Gennaros sahen einander an. Keiner sagte etwas. Jesse hörte, wie das heiße Wasser im Kessel über der kleinen Flamme vor sich hin kochte.
    »Falls sie ein Tagebuch geführt haben sollte, könnte uns das helfen, den Mörder zu finden«, sagte Jesse.
    Die Gennaros sahen wieder erst sich und dann Jesse an. Sie sagten immer noch nichts. Jesse wusste, dass sie schwiegen, weil sie nicht wussten, was sie sagen sollten. Er musste sie irgendwie zum Reden bringen.
    »Ich möchte den Kerl bestrafen, der Ihre Tochter umgebracht hat.«
    Schweigen. Mr. Gennaro rutschte wieder auf seinem Stuhl herum. Mrs. Gennaros Gesicht wirkte verkrampft, ihre Wangen waren knallrot.
    »Ich weiß, dass sie Tagebuch geführt hat.«
    Mrs. Gennaro schüttelte den Kopf.
    »Ich muss es lesen.«
    Sie schüttelte immer noch den Kopf. Jesse sah ihren Mann an.
    »Wollen Sie, dass der Mörder Ihrer Tochter gefunden wird?« Er sprach immer noch ganz ruhig, aber der freundliche Ton war verschwunden.
    »Sind Sie verstört von dem, was im Tagebuch steht?Was würde Tammy wohl dazu sagen? Würde sie etwa sagen: ›Schützt meinen Ruf und lasst den Mörder laufen‹? Würde sie das wirklich sagen?«
    »Nein«, sagte Mr. Gennaro.
    »Eddie«, fiel Mrs. Gennaro ihm ins Wort.
    Gennaro starrte auf die Tischplatte und schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein«, wiederholte er.
    Dann stand er auf und ging ins Nebenzimmer.
    »Eddie«, rief Mrs. Gennaro wieder, diesmal lauter und noch schärfer.
    Gennaro kam mit einem Pappkarton in die Küche zurück, der mit kleinen Büchern mit rotem Kunstlederumschlag gefüllt war, jedes davon mit einem Messingschloss. Gennaro stellte die Tagebücher vor Jesse auf den Tisch und lief wieder zur anderen Seite des Tisches, um sich hinzusetzen.
    »Das sind sie«, sagte er. Er nickte seiner Frau zu. »Sie hat die Schlüssel.«
    »Ich werde Ihnen die Bücher niemals geben«, sagte Mrs. Gennaro.
    »Das müssen Sie auch nicht tun, Ma’am«, sagte Jesse.
    »Ich habe ein anständiges Mädchen großgezogen«, sagte Mrs. Gennaro. »Sie war ein anständiges Mädchen, bis dieser Portugal ankam …«
    »Sie war auch dann noch anständig«, murmelte Gennaro.
    »Ich möchte nicht, dass er seine Nase in diese Bücher steckt, Eddie«, sagte Mrs. Gennaro.
    »Er wird’s aber tun«, sagte Mr. Gennaro und starrte auf die Tischplatte. »Ich will, dass er’s tut.«
    »Ist dir denn ganz egal, was ich möchte?«, fragte sie.
    »Ich will, dass der Kerl gefasst wird.«
    Jesse griff nach der Kiste, in der die Tagebücher ordentlich verstaut worden waren.
    »Wie wollen Sie sie denn ohne Schlüssel aufmachen?«, fragte Mrs. Gennaro.
    »Vielleicht muss ich sie mit einem Schraubenzieher aufbrechen«, sagte Jesse.
    Mrs. Gennaro starrte eine Weile auf die Tagebücher und schwieg. Dann sagte sie:

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