Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness

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fuchtelt mit seinem Gewehr herum.
    »Das ist nicht nötig«, knurrt Davy. »Wir kommen gut ohne Babysitter aus.«
    »Ich bin kein Babysitter«, sagt Mr Hammar lächelnd, »ich bin zu eurem Schutz hier.«
    Die Frau steht auf, sie schaut mich unverwandt an.
    Meine Miene ist ausdruckslos, nicht existent, ich setze keine Miene auf, wenn ich nicht muss.
    ICH BIN DER KREIS UND DER KREIS IST DAS ICH .
    »Hast du kein Herz?«, fragt sie. »Hast du kein Herz, dass du so etwas machen kannst?« Und dann geht sie zu den Heilerinnen, denen wir die Bänder schon angelegt haben, und wartet darauf, dass auch sie behandelt wird.
    Ich blicke ihr nach.
    Ich weiß nicht, wie sie heißt.
    Aber sie hat die Nummer 1484.
    »1485«, ruft Davy laut.
    Die nächste Frau in der Schlange tritt vor.
    Wir reiten den ganzen Tag über von einer Frauenunterkunft zur nächsten, wir schaffen beinahe dreihundert Bänder, es geht viel schneller als bei den Spackle. Als die Sonne untergeht und New Prentisstown sich auf die Ausgangssperre vorbereitet, kehren wir nach Hause zurück.
    Wir reden nicht viel.
    »Was für ein Tag, Schweinebacke!«, sagt Davy nach einer kleinen Weile.
    Ich antworte nicht, aber er erwartet auch gar keine Antwort.
    »Es passiert ihnen nichts«, fährt er fort. »Sie haben ja die Heilerinnen, die sich um die Schmerzen und so weiter kümmern.«
    Klapp, klapp, klappern die Hufe.
    Ich höre, was er denkt.
    Die Dämmerung bricht herein. Ich kann sein Gesicht nicht mehr sehen.
    Vielleicht verbirgt er deshalb seinen Lärm nicht mehr.
    »Wenn sie nur nicht so schrecklich weinen würden …«, sagt er zögernd.
    Ich schweige.
    »Hast du denn nichts dazu zu sagen?«, fragt er gereizt. »Du sagst keinen Piep, so als wolltest du überhaupt nie mehr sprechen. Bin ich es nicht wert, dass du auch nur ein Wort zu mir sagst?«
    Sein Lärm fängt zu knistern an.
    »Es ist ja nicht so, als hätte ich viele, mit denen ich reden könnte, Schweinebacke. Es ist ja nicht so, als hätte ich eine Wahl. Egal, was ich verdammt noch mal mache, nie zahlt es sich aus, nie krieg ich die guten Jobs, nie habe ich einen richtigen Kampfeinsatz. Zuerst diese doofe Aufpasserei bei den Spackle. Und dann, ehe wirs uns versehen, nummerieren wir auch noch die Frauen. Und wozu? Wozu, frage ich dich?«
    Seine Stimme wird leiser.
    »Damit sie uns anschreien«, redet er weiter. »Damit sie uns für Unmenschen halten.«
    »Wir sind Unmenschen.« Ich bin selbst überrascht, dass ich es laut gesagt habe.
    »Ja, das ist dein neues Gesicht, nicht wahr?«, sagt er hämisch. »Der beinharte Ich-hab-keine-Gefühle-ich-bin-der-Kreis-Bursche. Wenn Pa es dir befehlen würde, würdest du deiner eigenen Mutter eine Kugel durch den Kopf jagen.«
    Ich antworte nicht, aber ich beiße die Zähne zusammen.
    Davy schweigt eine Zeit lang. Dann sagt er: »Tut mir leid.«
    Dann sagt er: »Tut mir leid, Todd«, und nennt mich sogar beim Namen.
    Dann sagt er: »Wofür, zum Teufel, entschuldige ich mich eigentlich? Du bist doch nur die blöde Schweinebacke, die nicht einmal lesen kann und die sich immer bei meinem Vater einschleimt. Wer interessiert sich eigentlich für dich?«
    Ich sage kein Wort, klapp, klapp machen die Hufe.
    Vorwärts! , fordert Angharrad Deadfall auf und der wiehert zurück: Vorwärts! .
    Vorwärts , höre ich in Angharrads Lärm, und dann: Menschenfohlen, Todd.
    »Angharrad«, ﬂüstere ich zwischen ihren Ohren.
    »Todd?«, fragt Davy.
    »Ja?«
    Ich höre, wie er in seinem Lärm schnaubt. »Ach nichts«, sagt er. Dann ändert er seine Meinung. »Wie schaffst du das?«
    »Wie schaffe ich was?«
    Ich sehe in der Dämmerung, wie er die Schultern zuckt. »Dass du bei allem so gelassen bleibst. Dass du so bist, wie du bist. Ich weiß nicht, so gefühllos. Ich meine …« Er unterbricht sich, dann sagt er noch einmal leise, fast unhörbar: »Wenn sie nur nicht weinen würden.«
    Ich bin stumm, denn wie sollte ich ihm helfen? Wie kann er etwas über den Kreis erfahren, wenn sein Vater das nicht will?
    »Ich weiß«, sagt er, »ich habe diesen Mist ausprobiert, aber es funktioniert nicht bei mir, und Pa will nicht …«
    Er bricht mitten im Satz ab, als hätte er schon zu viel gesagt.
    »Ach, scheiß drauf«, sagt er dann.
    Wir reiten weiter in die Stadtmitte, lassen uns vom Dröhnen New Prentisstowns einhüllen, während die Pferde sich gegenseitig Befehle zurufen, um klarzumachen, wer sie sind.
    Schließlich sagt Davy: »Du bist der einzige Freund, den ich habe, Schweinebacke. Ist das