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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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öffnet die Tasche und holt etwas heraus.
    »Hier«, schreit er förmlich und hält es mir hin.
    Es ist das Buch meiner Mutter.
    Er gibt mir das Buch meiner Mutter zurück.
    »Da hast du es!«
    Ich nehme es in die Hand wie etwas sehr Zerbrechliches. Das Einbandleder ist noch immer weich und geschmeidig, das Loch noch immer da, es stammt von dem Messer, mit dem Aaron auf mich einstach. Ich fahre darüber.
    Ich schaue Davy an, aber der weicht meinem Blick aus.
    »Egal«, sagt er.
    Er dreht sich um und stapft die Treppen hinunter, hinaus in die Nacht.

32
    Letzte Vorbereitungen
    (VIOLA)
    Mit klopfendem Herzen verstecke ich mich hinter einem Baum.
    Ich habe ein Gewehr in der Hand.
    Angestrengt lausche ich auf das Knacken der Zweige, lausche, ob ich Schritte höre oder sonst ein Geräusch, das mir verraten könnte, wo der Soldat ist. Ich weiß, dass er da ist, denn ich höre seinen Lärm, aber er ist so leise und undeutlich, dass ich die Richtung, aus der er auf mich zukommt, nur erahnen kann.
    Aber er kommt auf mich zu. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.
    Sein Lärm wird lauter. Ich drücke mich mit dem Rücken an den Baum und ich höre, dass er links von mir ist.
    Ich muss nur im richtigen Augenblick aufspringen.
    Ich entsichere mein Gewehr.
    In seinem Lärm sehe ich die Bäume in der Umgebung, ich sehe auch die Fragezeichen in seinem Lärm, er überlegt, hinter welchem Baum ich mich wohl verstecke, er schließt alle Bäume bis auf zwei aus, einer davon ist der, hinter dem ich mich tatsächlich verberge, der andere steht ein paar Schritte links von mir.
    Wenn er zu dem geht, dann hab ich ihn.
    Jetzt höre ich schon seine Schritte, sie sind leise auf dem feuchten Waldboden. Ich schließe die Augen und versuche mich nur auf seinen Lärm zu konzentrieren, auf die Stelle, an der er gerade steht, auf den Schritt, den er gerade macht.
    Auf den Baum, dem er sich gerade nähert.
    Er macht einen Schritt. Und bleibt zögernd stehen. Dann noch einen Schritt.
    Er entscheidet sich …
    Und ich entscheide mich …
    Ich springe auf, mache einen Satz nach vorn, stelle ihm ein Bein, überrasche ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er stürzt zu Boden, legt im Fallen sein Gewehr auf mich an, doch ich packe ihn, drücke den Arm, mit dem er das Gewehr hält, mit meinem Knie nach unten und werfe mich mit meinem ganzen Gewicht auf ihn und halte ihm den Lauf meiner Waffe unters Kinn.
    Jetzt hab ich ihn.
    »Gut gemacht«, strahlt mich Lee von unten an.
    »Wirklich, sehr gut gemacht«, lobt mich nun auch Mistress Braithwaite und tritt aus der Deckung hervor. »Und jetzt kommt das Entscheidende, Viola. Was machst du mit einem Feind, der dir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist?«
    Ich sehe Lee ins Gesicht, er liegt unter mir und keucht, ich fühle seine Wärme.
    »Was machst du mit ihm?«, fragt Mistress Braithwaite.
    Ich betrachte mein Gewehr.
    »Ich tue, was ich tun muss«, sage ich.
    Ich tue, was ich tun muss, um ihn zu retten.
    Ich tue, was ich tun muss, um Todd zu retten.
    »Bist du dir ganz sicher, dass du das auch wirklich tun willst?«, fragt mich Mistress Coyle zum hundertsten Mal, als wir am nächsten Morgen vom Frühstückstisch aufstehen und Jane abwimmeln, die uns eine Tasse Tee nach der anderen aufdrängen will.
    »Ich bin ganz sicher«, antworte ich.
    »Du hast nur eine Chance, bevor wir angreifen. Genau eine.«
    »Er ist mir einmal zu Hilfe gekommen«, sage ich. »Als ich gefangen war, ist er mir zu Hilfe gekommen, und dafür hat er jedes Opfer auf sich genommen.«
    Sie runzelt die Stirn. »Menschen ändern sich, Viola.«
    »Er hat es verdient, dass ich für ihn dasselbe tue, was er für mich getan hat.«
    »Hm«, brummt Mistress Coyle vor sich hin. Sie ist immer noch nicht überzeugt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
    Aber ich lasse ihr keine andere Wahl.
    »Und wenn er sich uns anschließt«, gebe ich zu bedenken, »dann ist sein Wissen sehr nützlich für uns.«
    »Ja«, sagt sie nur und lässt den Blick über das Camp schweifen, in dem gerade die Vorbereitungen im Gange sind. Die Vorbereitungen zum Krieg. »Ja, das hast du schon oft gesagt.«
    Und obwohl ich Todd sehr gut kenne, kann ich mir doch vorstellen, wie er auf andere wirkt, wenn sie ihn sehen, wenn sie ihn mit dieser Uniform sehen, wie er zusammen mit Davy reitet, ich kann mir vorstellen, dass sie ihn für einen Verräter halten.
    Und mitten in der Nacht, wenn ich unter meiner Decke liege und nicht schlafen kann …
    Dann denke ich das

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