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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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hierherkommen, und ich bin sicher, sie haben es auf den Bürgermeister abgesehen.«
    Er schaut nervös zur Tür des Nebenzimmers, aber ich spreche mit leiser Stimme weiter. »Es sind nur zweihundert Leute, aber sie sind bis an die Zähne bewaffnet, sie haben Gewehre und Bomben und einen Plan und eine Anführerin, die über Leichen geht und die nicht eher ruhen wird, bis sie ihn gestürzt hat.«
    »Viola …«
    »Sie werden kommen«, wiederhole ich und trete noch einen Schritt näher. »Und jetzt weißt du, wann und aus welcher Richtung sie kommen, und wenn der Bürgermeister das erfährt …«
    »Das hättest du mir nicht sagen sollen«, sagt er vorwurfsvoll und weicht meinem Blick aus. »Ich kann Dinge in meinem Lärm verbergen, aber er findet sie trotzdem heraus. Das hättest du mir nicht sagen sollen!«
    Ich trete noch einen Schritt näher. »Dann musst du mit mir kommen! Du musst, oder er gewinnt für immer und alle Zeit, und dann wird er diesen Planeten beherrschen, und er wird derjenige sein, der die neuen Siedler begrüßt.«
    »Er wird ihnen die Hand reichen«, sagt er und seine Stimme klingt mit einem Mal sanft.
    Er streckt die Hand aus und starrt sie an. »Er begrüßt sie zusammen mit seinem Sohn.«
    »Und das wollen wir genauso wenig.« Ich blicke nervös zum Haupttor. Lee steckt den Kopf durch die Tür, er gibt sich Mühe, nicht allzu fehl am Platz zu wirken, denn draußen vor der Kathedrale marschieren Soldaten vorbei. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    Todd steht da, mit ausgestreckter Hand.
    »Ich habe auch schlimme Sachen getan«, sage ich beschwörend. »Ich wünschte, alles wäre anders gekommen, aber das ist es leider nicht. Deshalb zählt für uns nur das Hier und Jetzt, und wenn es überhaupt eine Möglichkeit gibt, alles zu einem guten Ende zu bringen, dann musst du mit mir kommen.«
    Er sagt nichts, starrt auf seine ausgestreckte Hand. Also gehe ich noch einen Schritt auf ihn zu und ergreife sie.
    »Wir können die Welt retten«, sage ich und versuche zu lächeln. »Du und ich.«
    Er schaut mir in die Augen, versucht zu ergründen, was ich denke, versucht sich zu vergewissern, dass wirklich ich es bin, die vor ihm steht, dass dies alles keine Einbildung ist, dass das, was ich sage, auch wahr ist, er versucht es und versucht es.
    Aber er versteht mich nicht.
    Oh Todd!
    »Will da etwa jemand abhauen?«, fragt eine Stimme aus der anderen Ecke der Eingangshalle.
    Es ist die Stimme eines Mannes, der eine Pistole in der Hand hält.
    Es ist nicht der Mann, der uns eingelassen hat, es ist ein Mann, den ich noch nie zuvor gesehen habe.
    Besser gesagt nur einmal, und zwar in Todds Lärm.
    »Wie bist du rausgekommen?«, fragt Todd erstaunt.
    »Das hast du sicher vergessen«, sagt der Mann. In seiner anderen Hand hält er das Tagebuch von Todds Mutter.
    »Gib das her!«, schnauzt ihn Todd an.
    Der Mann kümmert sich nicht darum, er fuchtelt mit seiner Pistole in Lees Richtung. »Komm rein«, sagt er, »oder es wird mir ein Vergnügen sein, unseren lieben Freund Todd über den Haufen zu schießen.«
    Ich drehe mich um.
    In Lees Lärm höre ich nur den Gedanken an Flucht, aber er sieht, dass die Pistole auf Todd gerichtet ist, er sieht mein Gesicht, und er kommt herein, er sagt so laut in seinem Lärm, dass er mich nicht im Stich lassen wird, dass ich beinahe die Waffe vergesse, die auf uns gerichtet ist.
    »Lass es fallen«, befiehlt der Mann. Er meint Lees Gewehr. Lee lässt es polternd zu Boden fallen.
    »Du Lügner«, sagt Todd zu dem Mann. »Du Feigling.«
    »Es ist nur zum Besten der Stadt«, erwidert der Mann.
    »Das ganze Gejammere«, sagt Todd mit Wut in der Stimme und in seinem Lärm. »All das Meckern und Jammern darüber, dass er alles zerstört, und dabei bist du doch nichts weiter als ein gewöhnlicher Spitzel.«
    »Anfangs nicht«, sagt der Mann. »Zuerst war ich nur der frühere Bürgermeister, der in Ungnade gefallen ist und irgendwie weiterleben musste.« Der Mann geht an Todd vorbei und kommt auf mich zu, Todds Buch klemmt er sich unter den Arm. »Gib mir den Rucksack.«
    »Wie?«, frage ich.
    »Gib ihn her.« Er richtet die Pistole genau auf Todds Kopf. Ich streife den Rucksack von den Schultern und gebe ihn dem Mann. Er öffnet ihn gar nicht erst, sondern tastet sofort den Boden ab, er sucht nach dem Geheimfach, in dem man, wenn man nur fest genug drückt, meine Pistole spürt.
    Der Mann lächelt. »Da haben wir sie ja«, sagt er. »Bei der Antwort ist alles beim Alten geblieben,

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