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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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erwidert er. In seinem Lärm schwingt Ärger darüber, wie seine eigene Stimme klingt. Er räuspert sich. »Aber du hast mich hier zurückgelassen.«
    »Sie haben mich mitgenommen«, erkläre ich ihm. »Mir blieb nichts anderes übrig.«
    Sein Lärm wird jetzt lauter, da ist so etwas wie Erleichterung und …
    Ach Todd, ich höre auch deinen Zorn.
    »Was habe ich getan?«, sage ich. »Wir müssen weg. Die Antwort wird …«
    »Also gehörst du jetzt zu denen?«, herrscht er mich verbittert an. »Bist du eine von diesen Mörderinnen?«
    »Und du bist jetzt ein Soldat?«, frage ich hitzig zurück. Ich deute auf das A, das auf seinen Jackenärmel genäht ist. »Dann erzähl du mir nichts von Mord.«
    »Die Antwort hat die Spackle umgebracht«, sagt er leise und zornig.
    In seinem Lärm sehe ich die Leichen der Spackle.
    Hoch aufgetürmt, einer über dem anderen, hingeworfen wie Müll.
    Ein blaues A ist auf eine Mauerwand geschmiert.
    Und mittendrin sehe ich Todd.
    »Sie hätten mich ebenfalls umbringen sollen«, sagt er.
    Er schließt die Augen.
    ICH BIN DER KREIS UND DER KREIS IST DAS ICH, höre ich in seinem Lärm.
    »Viola?«, fragt Lee hinter mir. Ich drehe mich um. Er hat bereits die Hälfte der Eingangshalle durchquert.
    »Warte draußen«, fordere ich ihn auf.
    »Viola …«
    »Draußen.«
    Er wirkt so besorgt, ist so entschlossen, für mich zu kämpfen, dass mein Herz noch wilder zu klopfen beginnt. Als wir hierherkamen, hat er, so laut er konnte, in seinem Lärm hinausposaunt, dass ich seine Gefangene sei, so laut, dass die anderen Soldaten glaubten, er wolle damit nur verheimlichen, dass er mich vergewaltigen will, und als wir an ihnen vorbeigingen, pfiffen sie laut und wünschten ihm viel Glück.
    Dann haben wir uns rasch in der Nähe der Kathedrale versteckt. David Prentiss ritt an uns vorbei, und ich sah Dinge in seinem Lärm, die ich nie wieder sehen möchte, ich sah darin, was er sich unter einer richtigen Feier vorstellte, die er und Todd sich verdient hätten.
    Und so taten wir, als seien wir auf dem Weg zu dieser Feier.
    Es hat funktioniert.
    Mit dieser Ausrede war es kinderleicht und das war besonders erschütternd.
    Lee tritt von einem Fuß auf den anderen. »Ruf mich, wenn du mich brauchst.«
    »Das werde ich«, verspreche ich ihm. Er wartet noch einen Moment lang, dann geht er zum Hauptportal hinaus und lässt die Tür offen stehen, damit er uns beobachten kann.
    Todd hält die Augen geschlossen, er wiederholt seinen Satz: ICH BIN DER KREIS UND DER KREIS IST DAS ICH . Einen Satz, der klingt, als habe ihn der Bürgermeister gesagt.
    »Wir haben die Spackle nicht umgebracht«, verteidige ich mich.
    »Wir?« Er öffnet die Augen.
    »Ich weiß nicht, wer es war, aber wir waren es nicht.«
    »Ihr habt eine Bombe geworfen, um sie zu töten, am selben Tag, an dem ihr den Turm in die Luft gejagt habt.« Er schleudert mir die Worte förmlich entgegen. »Dann seid ihr zurückgekommen, um das Gefängnis zu überfallen, und habt den Rest erledigt.«
    »Bombe?«, frage ich. »Welche Bombe?«
    Aber dann erinnere ich mich wieder.
    Die erste Explosion, nach der die Soldaten vom Turm weggelaufen sind.
    Nein.
    Das hätte sie nicht gewagt.
    Nein, nicht einmal sie. »Für wen hältst du uns eigentlich, mein Mädchen«, hat sie gesagt …
    Aber dennoch hat sie selbst nie eine Antwort auf diese Frage gegeben.
    Nein, nein, das ist nicht wahr.
    »Wer hat dir das weisgemacht?«, frage ich. »Davy Prentiss etwa?«
    Er blinzelt. »Was?«
    »Was fragst du mich?« Mein Tonfall wird härter. »Ich spreche von deinem neuen Freund. Der Mann, der auf mich geschossen hat, Todd, und mit dem du offenbar jeden Morgen fröhlich zur Arbeit reitest.«
    Er ballt die Fäuste. »Hast du mir nachspioniert?«, fragt er. »Drei Monate lang habe ich nichts von dir gesehen, drei Monate lang habe ich nichts von dir gehört, und du spionierst mir nach? Ist das deine neue Freizeitbeschäftigung, wenn du nicht gerade Leute in die Luft jagst?«
    »Ja«, schreie ich so laut wie er. »Drei Monate lang habe ich dich gegenüber Menschen in Schutz genommen, die dich nur allzu gern als ihren Feind betrachtet hätten, Todd. Drei Monate lang habe ich mich gefragt, warum zum Teufel du so sehr für den Bürgermeister schuftest und woher er wusste – am Tag, nachdem wir zum letzten Mal miteinander gesprochen hatten –, dass er direkt zur Küste marschieren musste.« Todd zuckt zusammen, aber ich rede mich weiter in Rage. Und dann strecke ich den Arm aus und

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