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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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fange wieder an, gegen die Scheibe zu hämmern. »Nein, verdammt noch mal!« Ich gehe zur Tür des kleinen Zimmers und trete so fest dagegen, wie ich nur kann. »Viola! Viola!«
    Ich höre ein Stöhnen und laufe zum Spiegel zurück.
    Sie ist wieder aufgetaucht, hustet das Wasser aus und spuckt heftig.
    »Die Zeit läuft uns schon davon«, sagt der Bürgermeister und wischt einen Fussel von seinem Mantel, »vielleicht sollten wir besser schnell zur Sache kommen.«
    Während er redet, höre ich nicht auf, gegen den Spiegel zu trommeln. Er dreht sich um und schaut in meine Richtung. Von dort, wo er steht, kann er mich nicht sehen, dennoch schaut er mir direkt in die Augen.
    »Viola!«, schreie ich und trommle gegen die Scheibe.
    Er runzelt die Stirn ein wenig.
    »Viola!«
    Und dann trifft mich sein Lärm.
    Er ist viel lauter als je zuvor.
    Er ist so laut wie der Schrei von einer Million Menschen, mitten in meinem Gehirn, so tief drinnen, so tief im Inneren, dass ich nichts tun kann, um mich dagegen zu wehren, und sie schreien alle: DU BIST EIN NICHTS, DU BIST EIN NICHTS, DU BIST EIN NICHTS , und mein Blut fängt an zu kochen, meine Augen quellen aus den Höhlen, ich kann nicht einmal stehen, ich torkle rückwärts, weg vom Spiegel, und falle hart auf die Bank, der Schlag, den er mir mit seinem Lärm versetzt hat, dröhnt und dröhnt und dröhnt …
    Als ich meine Augen wieder aufmachen kann, sehe ich, wie der Bürgermeister Davy zurückhält, der die Arena verlassen will. Davy schaut zum Spiegel.
    Und in seinem Lärm hört man, dass er sich Sorgen macht.
    Sorgen um mich.
    »Sag mir, wann die Antwort angreifen wird«, fragt der Bürgermeister Viola. Seine Stimme ist jetzt kälter, schneidender als zuvor. »Und aus welcher Richtung die Angreifer kommen werden.«
    Sie schüttelt den Kopf, Wassertropfen regnen herab. »Nein.«
    »Du wirst es mir sagen«, antwortet der Bürgermeister. »Ich bin mir sicher, dass du es mir sagen wirst.«
    »Nein«, sagt sie. »Niemals.«
    Und sie schüttelt noch immer den Kopf.
    Der Bürgermeister blickt in den Spiegel und sieht mich direkt an, obwohl er mich in Wirklichkeit gar nicht sehen kann. »Unglücklicherweise haben wir keine Zeit, um auf deine Weigerung Rücksicht zu nehmen.«
    Er nickt Mr Hammar zu.
    Und der taucht sie wieder unter Wasser.
    »Halt!«, schreie ich und schlage gegen die Scheibe. »Hört auf!«
    Aber er drückt sie unter Wasser …
    … und lässt sie unter Wasser …
    Ich schlage so fest gegen den Spiegel, dass meine Hände zu bluten beginnen.
    »Holt sie hoch! Holt sie hoch! Holt sie hoch!«
    Sie zuckt wie wild im Wasser.
    Aber er holt sie nicht hoch.
    Sie ist noch immer unter Wasser.
    »Viola!«
    Sie zerrt an den Fesseln.
    Das Wasser spritzt nach allen Seiten.
    Oh Gott oh Gott oh Gott oh Gott Viola Viola Viola Viola Viola …
    Ich kann nicht …
    Ich kann nicht …
    »Nein!«
    Verzeih mir!
    Bitte, verzeih mir!
    »Heute Abend!«, schreie ich. »Bei Sonnenuntergang! Über den Hügel mit der Kerbe südlich der Kathedrale kommen sie! Heute Abend!«
    Ich drücke den Knopf und schreie diese Worte wieder und wieder.
    »Heute Abend!«
    Sie zuckt unter Wasser.
    Aber keiner scheint mich zu hören.
    Er hat den Lautsprecher ausgeschaltet.
    Er hat den Scheißlautsprecher ausgeschaltet.
    Ich gehe wieder an die Scheibe und trommle dagegen.
    Aber niemand bewegt sich.
    Und sie ist noch immer unter Wasser.
    Ich kann so fest gegen die Scheibe schlagen, wie ich will.
    Warum zerspringt sie nicht?
    Warum, verflucht noch mal, zerspringt sie nicht?
    Der Bürgermeister gibt Mr Hammar ein Zeichen und der hebt den Rahmen aus dem Wasser. Viola schnappt gierig nach Luft, ihr Haar (ich erinnere mich gar nicht, dass es so lang war) klebt ihr im Gesicht, ringelt sich um die Ohren, das Wasser rinnt in feinen Schnüren an ihr hinab.
    »Du hast es in der Hand, Viola«, sagt der Bürgermeister. »Sag mir einfach, wann die Antwort angreifen wird, und schon ist alles vorbei.«
    »Heute Abend!«, schreie ich so laut, dass meine Stimme rasselt wie dürres Holz. »Von Süden her!«
    Doch sie schüttelt den Kopf.
    Niemand hört mich und sie schüttelt den Kopf.
    »Aber sie hat dich betrogen, Viola.« Der Bürgermeister tut wieder so erstaunt. »Warum willst du sie beschützen? Warum?« Er unterbricht sich, als fiele ihm etwas ein. »Bei der Antwort gibt es Leute, um die du dir Sorgen machst.«
    Sie hört auf, den Kopf zu schütteln. Sie blickt nicht auf, aber sie schüttelt den Kopf nicht mehr.
    Der

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