Das dunkle Paradies
Bürgermeister kniet sich vor sie hin. »Dann hast du umso mehr Grund, es mir zu sagen. Dann hast du umso mehr Grund, mir zu sagen, wo ich deine Mistress finde.« Er streckt die Hand aus und streicht ihr ein paar nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Wenn du mir hilfst, dann versichere ich dir, dass ihnen nichts geschehen wird. Ich will nur Mistress Coyle. Alle anderen Heilerinnen bleiben im Gefängnis, und die vielen, die zweifellos unschuldig sind und nur ihren Hetzreden geglaubt haben, erhalten die Freiheit, sobald wir erst Gelegenheit hatten, mit ihnen zu reden.«
Er bedeutet Mr Hammar, ihm das Handtuch zu geben, mit dem er Violas Gesicht trocknet. Sie schaut ihn noch immer nicht an.
»Wenn du es mir sagst, rettest du Leben.« Behutsam tupft er das Wasser von ihrem Gesicht. »Ich gebe dir mein Wort darauf.«
Jetzt endlich hebt sie den Kopf.
»Euer Wort«, sagt sie nur und schaut an ihm vorbei zu Mr Hammar.
Und ihre Miene ist so wütend, dass sogar er erstaunt aufblickt.
»Ach ja«, sagt der Bürgermeister und steht auf. Er reicht Mr Hammar das Handtuch wieder zurück. »Sieh dir Mr Hammar an. Er ist ein Beispiel für meine Großmut, Viola. Ich habe ihm das Leben geschenkt.« Er beginnt wieder umherzulaufen, und als er hinter ihr steht, blickt er zu mir herüber. »So wie ich auch das Leben deiner Freunde und deiner Lieben verschonen werde.«
»Es passiert heute Nacht«, sage ich rau.
Wie kann es sein, dass er mich nicht hört?
»Nun gut«, sagt er, »wenn du es nicht weißt, vielleicht kann uns dann dein guter Freund Lee weiterhelfen.«
Sie reißt den Kopf hoch. Ihre Augen sind weit geöffnet, ihr Atem geht stoßweise.
Ich frage mich, wie er die Explosion hat überleben können.
»Er weiß gar nichts«, erwidert sie hastig. »Er weiß weder wann noch wo.«
»Selbst wenn ich dir das glauben würde«, erwidert der Bürgermeister, »selbst dann müssten wir ihn ausgiebig und eingehend anhören, um ganz sicher zu gehen.«
»Lasst ihn in Ruhe!«, sagt Viola und versucht ihren Kopf zu drehen, damit sie ihm mit den Augen folgen kann.
Der Bürgermeister bleibt direkt vor dem Spiegel stehen, den Rücken hat er Viola zugewandt, er blickt mich an. »Oder vielleicht sollten wir einfach Todd fragen.«
Ich hämmere gegen die Glasscheibe direkt vor seinem Gesicht. Er verzieht keine Miene.
Und dann sagt sie: »Todd würde es Euch niemals erzählen. Niemals.«
Der Bürgermeister blickt zu mir.
Und er lächelt.
Mein Magen fällt ins Bodenlose, mein Herz rast, mir ist so schwindlig im Kopf, dass ich fürchte, jeden Moment ohnmächtig umzufallen.
Oh, Viola …
Viola, bitte …
Verzeih mir!
»Käpten Hammar«, sagt der Bürgermeister knapp, und Viola wird wieder unter Wasser getaucht, sie kann nicht anders, sie schreit laut auf vor Angst, als der Rahmen sich wieder senkt.
»Nein!«, schreie ich und werfe mich gegen die Glasscheibe.
Der Bürgermeister dreht sich nicht einmal nach ihr um. Er blickt nur zu mir, es ist, als könnte er mich auch noch hinter einer Mauer aus Ziegelsteinen sehen.
»Hört auf!«, schreie ich, als sie wieder zu zucken beginnt.
Sie bäumt sich auf.
»Viola!«
Ich schlage auf die Glasscheibe ein, gleich werden meine Hände zerbrechen.
Mr Hammar grinst und hält sie unter Wasser.
»Viola!«
Sie zerrt an ihren Fesseln, die Handgelenke bluten.
»Ich bring dich um!«
Ich schreie es dem Bürgermeister ins Gesicht …
… mit all meinem Lärm.
»Ich bring dich um!«
Sie ist noch immer unter Wasser.
»Viola! Viola!«
Aber es ist Davy.
Ausgerechnet Davy.
Er ist es, der dem Ganzen ein Ende macht.
»Hol sie hoch!«, ruft er plötzlich und tritt aus seiner Ecke hervor. »Um Himmels willen, du bringst sie um!« Und er packt das Gestell und zieht es aus dem Wasser, und der Bürgermeister gibt Mr Hammar ein Zeichen, und der lässt es zu, und Davy zieht Viola hoch und aus dem Wasser, sie keucht, so sehr schnappt sie nach Luft, und gleich darauf hustet sie, hustet das ganze Wasser heraus.
In der nächsten Minute spricht keiner, der Bürgermeister starrt seinen Sohn an, als gehörte dieser einer bisher unbekannten Spezies an.
»Was kann sie uns denn nützen, wenn sie tot ist?«, fragt Davy mit zitternder Stimme und blickt ins Leere. »Das habe ich nur gemeint.«
Der Bürgermeister schweigt. Davy lässt das Gestell los und geht wieder zu seinem Platz an der Tür.
Viola hustet, sie hängt schlaff in ihren Fesseln. Ich drücke mich so fest gegen die Glasscheibe, als könnte ich durch
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