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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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kann.«
    »Er wird uns alle erschießen lassen«, ruft ein anderer dazwischen, er ist groß und blass.
    »Und wer soll das machen?«, fragt Ivan. »Die ganze Armee kämpft, während der Präsident in der Ruine seiner Kathedrale sitzt und darauf wartet, dass ich mit Todd auftauche.«
    »Was macht er dort?«, fragt der Rote. »Warum ist er nicht bei den Truppen?«
    »Das ist nicht seine Art«, sage ich. Alle Blicke richten sich wieder auf mich. »Der Bürgermeister kämpft nicht. Er regiert, er führt, aber er drückt nicht den Abzug und macht sich die Hände nicht schmutzig.« Angharrad spürt, dass ich nervös bin, und tänzelt ein wenig zur Seite. »Er lässt das andere Leute für sich erledigen.«
    Und er möchte – diesen Gedanken versuche ich in meinem Lärm zu verstecken – mit mir reden.
    Was für mich in gewisser Hinsicht schlimmer ist als Krieg.
    »Und du willst ihn jetzt stürzen, was?«, fragt der Korporal und verschränkt die Arme vor der Brust.
    »Er ist auch nichts weiter als ein Mensch«, antworte ich. »Und jeder Mensch kann besiegt werden.«
    »Er ist mehr als ein Mensch«, sagt der Rotschopf. »Die Leute sagen, er benutzt seinen Lärm als Waffe.«
    »Und wenn man ihm zu nahekommt, dann macht er einen ganz willenlos«, fügt der Blasse hinzu.
    »Das sind alles Ammenmärchen«, höhnt Ivan. »Er kann nichts dergleichen.«
    »Doch, das kann er«, widerspreche ich ihm und wieder richten sich alle Blicke auf mich. »Er kann dich mit seinem Lärm treffen und das tut höllisch weh. Er kann in die Menschen hineinsehen und machen, dass sie tun und sagen, was er will. Zu all dem ist er in der Lage.«
    Jetzt starren sie mich an und fragen sich, wann ich endlich etwas Aufmunterndes sage.
    »Aber ich glaube, er muss einem in die Augen schauen, damit es funktioniert.«
    »Du glaubst?«, fragt der Rothaarige.
    »Wenn er mit seinem Lärm zuschlägt, dann ist das nicht lebensgefährlich, und er kann auch nicht mehrere Menschen gleichzeitig treffen. Er kann uns nicht alle gemeinsam erwischen.«
    Aber ich verberge in meinem Lärm, wie viel stärker der Schlag, den er mir in der Arena versetzt hat, gewesen ist, wie viel wirkungsvoller.
    Er hat sein Messer gewetzt, seine Waffe ganz und gar perfektioniert.
    »Wie auch immer«, sagt der Blasse. »Er hat sicher seine eigene Leibwache. Wir würden dem Tod geradewegs in die Arme laufen.«
    »Er wird annehmen, dass ihr mich bewacht«, wende ich ein. »Wir können direkt an den Wachen vorbei zu ihm gehen, denn er wartet auf mich.«
    »Und weshalb sollten wir uns dir anschließen, Leutnant?«, fragt der Korporal und betont dabei meinen Dienstgrad. »Was haben wir davon?«
    »Freiheit «, antwortet Ivan an meiner Stelle.
    Der Korporal verdreht die Augen. Er ist nicht der Einzige.
    Ivan versucht es erneut. »Weil wir die Macht übernehmen werden, sobald er weg ist.«
    Diesmal ist die Reaktion nicht ganz so ablehnend, aber der Blasse fragt: »Ist hier jemand, der Ivan Farrow als Präsidenten haben will?«
    Er fragt, weil er die Lacher auf seiner Seite glaubt, aber keiner lacht.
    »Und was haltet ihr von Präsident Hewitt?«, fragt Ivan, in seinen Augen liegt ein seltsames Funkeln.
    Korporal Dickwanst schnaubt und wiederholt: »Er ist ja noch ein Junge.«
    »Bin ich nicht«, widerspreche ich ihm. »Schon lange nicht mehr.«
    »Er ist der Einzige, der es mit dem Präsidenten aufnehmen will«, sagt Ivan. »Wenn das nichts heißt.«
    Die Wachen sehen einander an. In ihrem Lärm kann ich all ihre Fragen hören, all die Zweifel, all die Bedenken, die sich verfestigen, und mir wird klar, dass sie dabei sind, meinen Vorschlag zu verwerfen.
    Aber ihr Lärm gibt mir auch einen Anhaltspunkt, wie ich sie trotzdem überzeugen kann.
    »Wenn ihr mir helft, besorge ich euch die Arznei«, sage ich laut.
    Auf der Stelle kehrt Ruhe ein.
    »Das könntest du?«, fragt der Rothaarige.
    »Nie und nimmer«, sagt der Korporal. »Er blufft nur.«
    »Es gibt riesige Mengen davon im Keller der Kathedrale«, sage ich. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie der Bürgermeister sie dorthin gebracht hat.«
    »Warum nennst du ihn eigentlich immer noch ›Bürgermeister‹?«, fragt der Blasse.
    »Kommt mit«, fordere ich sie auf. »Helft mir, ihn gefangen zu nehmen, und jeder von euch bekommt so viel von der Arznei, wie er nur tragen kann.« Jetzt hören sie mir aufmerksam zu. »Es ist, verflucht noch mal, an der Zeit, dass Haven wieder Haven wird.«
    »Er hat sie allen Soldaten weggenommen«, sagt Ivan.

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