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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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noch entschiedener als zuvor.
    Wir beide sehen, wie Viola in seinem Lärm auftaucht, wir beide spüren, wie schwer es ihm fällt, sie zurückzulassen. Sein Gefühl ist so stark, dass ich den Blick abwenden muss.
    Denn irgendwie verspüre ich auch das Bedürfnis, ihm eine reinzuhauen.
    »Ich verlasse Todd nicht ein zweites Mal«, sagt sie. »Jetzt, da ich ihn wiedergefunden habe. Es tut mir leid, Lee, aber so ist’s nun mal.«
    Lee weicht einen Schritt zurück, er kann den Schmerz in seinem Lärm nicht verbergen.
    »Es tut mir leid«, wiederholt Viola sanft.
    »Viola …«, sagt Lee flehentlich.
    Sie schüttelt den Kopf. »Der Bürgermeister denkt, er wüsste alles. Er glaubt, er wüsste, was auf ihn zukommt. Er sitzt da und wartet geradezu darauf, dass Todd und ich versuchen ihn aufzuhalten.«
    Lee will sie unterbrechen, aber sie redet weiter.
    »Dabei vergisst er aber«, fährt sie fort, »dass Todd und ich gemeinsam über den halben Planeten geflohen sind. Ganz allein. Wir sind mit einem irrsinnigen Prediger fertig geworden. Wir sind einer ganzen Armee davongelaufen, wir haben es überlebt, dass man auf uns geschossen, uns geschlagen und gehetzt hat. Und immer sind wir, verdammt noch mal, am Leben geblieben. Man hat uns nicht in die Luft gejagt, man hat uns nicht zu Tode gefoltert, wir sind nicht im Krieg umgekommen.«
    Sie nimmt Lees Hand und stützt sich jetzt nur noch auf mich. »Ich und Todd? Wir beide gemeinsam gegen den Bürgermeister?« Sie lächelt. »Er hat nicht die geringste Chance.«

38
    Der Marsch zur Kathedrale
    (VIOLA)
    »Hast du wirklich ernst gemeint, was du da drinnen gesagt hast?«, fragt Todd, während er gerade den Sattelgurt festzurrt. Er spricht leise, seine ganze Aufmerksamkeit gilt den Handgriffen am Pferd. »Dass er keine Chance gegen uns hat?«
    Ich zucke die Schultern. »Es hat uns immerhin geholfen.«
    Er lächelt schwach und sagt: »Ich muss mit den Männern reden.« Er nickt hinüber zu Lee, der sich abseits hält, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und uns beobachtet. »Und du versuchst es ihm nicht allzu schwer zu machen, okay?«
    Er winkt Lee und geht zu den sieben Wachleuten, die uns begleiten wollen und schon an dem großen Steintor stehen.
    Lee kommt zu mir herüber.
    »Bist du sicher, dass du das tun willst?«, fragt er.
    »Nein«, sage ich ehrlich. »Aber was Todd angeht, bin ich mir sicher.«
    Er schnaubt durch die Nase und versucht seinen Lärm unbestimmt klingen zu lassen. »Du liebst ihn«, sagt er. Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ja«, sage ich und auch das ist eine Feststellung.
    »So sehr?«
    Wir blicken beide hinüber zu Todd. Er erklärt den Männern, was wir vorhaben und was sie tun müssen, und fuchtelt mit den Armen in der Luft herum.
    Er sieht aus wie ein Anführer.
    »Viola?«, fragt Lee.
    Ich schaue ihn an. »Du musst die Antwort finden, ehe sie von der Armee aufgespürt wird, Lee. Falls das überhaupt noch möglich ist.«
    Er runzelt die Stirn. »Vielleicht glauben unsere Leute nicht, was ich über Mistress Coyle berichten werde. Viele lassen nur eine Sicht der Dinge gelten.«
    Vorsichtig greife ich nach den Zügeln des Pferdes. Menschenfohlen? , denkt es und äugt zu Todd hinüber. »Sieh es mal so«, sage ich zu Lee. »Wenn du sie findest und wir uns den Bürgermeister vornehmen, dann könnte der ganze Spuk heute Abend vorüber sein.«
    Lee blinzelt in die Sonne. »Und wenn ihr es nicht schafft, euch den Bürgermeister vorzuknöpfen?«
    Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Nun, dann musst du eben kommen und uns retten.«
    Er versucht mein Lächeln zu erwidern.
    »Wir sind so weit«, sagt Todd und stellt sich neben uns.
    »Das wär’s dann wohl«, sage ich.
    Todd streckt Lee die Hand hin. »Viel Glück.«
    Lee ergreift sie. »Dir auch«, sagt er.
    Aber er sieht dabei nur mich an.
    Nachdem Lee im Wald verschwunden ist, um auf den Hügeln nach der Antwort zu suchen und sie abzufangen, bevor die Soldaten es tun, marschieren wir auf der Straße entlang. Todd führt Angharrad am Zügel, die in ihrem Lärm immer wieder Menschenfohlen vor sich hin sagt und aufgeregt ist, weil jemand, den sie nicht kennt, auf ihrem Rücken sitzt. Todd flüstert ihr zu, damit sie ruhig bleibt, streichelt ihr über die Nüstern, tätschelt ihre Flanke, während wir gehen.
    »Wie geht es dir?«, fragt er mich, als wir zu den ersten Gemeinschaftsunterkünften der Frauen gelangen.
    »Meine Füße tun weh«, sage ich. »Und mein Kopf auch.« Ich reibe mit

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